Auch Seehunde haben ein Zeitgefühl

Das Team um Prof. Guido Dehnhardt vom Marine Science Center Rostock präsentiert neue Erkenntnisse zu den kognitiven Fähigkeiten von Meeressäugern.

Seehunde haben ein Gefühl für die Zeit. Die Meeressäuger können Zeitintervalle teils sogar im Millisekundenbereich unterscheiden. Diese bahnbrechende Erkenntnis haben Wissenschaftler des Robben-Forschungszentrums der Universität Rostock in der anerkannten wissenschaftlichen Zeitschrift "Animal Cognition" publiziert. Wie gut das Zeitgefühl der Tiere ausgeprägt ist, konnte Doktorandin Tamara Heinrich in ihrem spannenden Experiment zeigen, das sie über zwölf Monate regelmäßig mit dem 13-jährigen Seehund Luca durchführte. "Er hat erstaunlich schnell gelernt, Zeitintervalle zu unterscheiden", berichtet die Wissenschaftlerin.

Doktorandin Tamara Heinrich, die ihre Doktorarbeit am Marine Science Center der Universität Rostock zum Zeitsinn der Seehunde schreibt, mit Versuchstier Luca. (Foto: Heinrich, MSC)

In ihrem Experiment legte der Seehund auf Kommando seinen Kopf in einen Ring und beobachtete aus dieser Ruheposition einen Computerbildschirm, auf dem ein weißer Kreis für ein vorprogrammiertes Zeitintervall präsentiert wurde. Durch Antippen einer Kugel auf der linken oder auf der rechten Seite des Ringes mit dem Kopf signalisierte Luca, ob das Signal gleich lang wie die vorherigen Signale der Testreihe oder länger war. Eine richtige Entscheidung wurde mit Fisch belohnt. "Wir haben die Genauigkeit des Zeitgefühls für viele Zeitintervalle zwischen drei und 30 Sekunden bestimmt", sagt Tamara Heinrich.

Wie sehr er den Versuch mochte, zeigte Luca seiner Betreuerin übrigens deutlich: Sobald Tamara Heinrich den Versuch aufbaute, lief der Seehund in die Station und wartete darauf, dass es mit dem Experiment losging. Das Zeitempfinden sei für die Tiere von großer Bedeutung, beispielsweise bei der Futtersuche und der Orientierung, um einzuschätzen, wie lange sie schon unterwegs waren oder welche Strecke sie in welcher Zeit zurückgelegt haben, erläutert Dr. Frederike Hanke. Zusammen mit Prof. Dr. Guido Dehnhardt, ehem. Lichtenberg-Professor der VolkswagenStiftung, betreut sie das von der Graduiertenstiftung MV und der VolkswagenStiftung geförderte Forschungsprojekt. "Zeit spielt wahrscheinlich für Robben eine entscheidende Rolle, vor allen Dingen in einem Lebensraum, in dem es teilweise externe Reize nicht oder nur begrenzt gibt", so Frederike Hanke.

Publikation

Harbour seals (Phoca vitulina) are able to time precisely
Heinrich, T., Dehnhardt, G. & Hanke, F.D. Anim Cogn (2016). doi:10.1007/s10071-016-1020-3

Seehund Luca während des Zeitsinnexperiments in der Dunkelkammer des Marine Science Centers der Universität Rostock. Der Seehund verharrt in einer Ruheposition vor einem Computerbildschirm, auf dem ihm ein Zeitintervall - markiert durch einen weißen Kreis - präsentiert wird. (Foto: Heinrich, MSC)

Wie orientieren sich Seehunde im Wasser? Das enträtselt der ehem. Lichtenberg-Professor Guido Dehnhardt zusammen mit seinem Team aus Biologen und Physikern. Am Marine Science Center der Universität Rostock erforschen sie die sensorischen und kognitiven Fähigkeiten von neun Seehunden und drei Ohrenrobben.

Guido Dehnhardt am Marine Science Center der Universität Rostock. (Foto: Fabian Fiechter für VolkswagenStiftung)