Die Politik der Algorithmen
Warum ein kritischer Blick auf die Chiffre für Techniken künstlicher Intelligenz wichtig ist.
In der Reihe "Was bedeutet das alles?" des Reclam Verlags ist ein Essay von Sabine Müller-Mall erschienen, der Ergebnisse ihrer aktuellen Forschung zusammenfasst. Und in der Tat zeigt der Text, was Digitalisierung für uns, unser Zusammenleben und unser Gemeinwesen bedeutet. Die Professorin für Rechts- und Verfassungstheorie an der TU Dresden stellt fest, dass sich Computerisierung, Mobilisierung und Algorithmisierung als Entwicklungen wechselseitig verstärken. Im Zentrum ihrer Überlegungen steht nicht der ubiquitäre Einsatz des Computers, sondern die Anwendung von Algorithmen, "denn mit (ihnen) schreiben wir mehr als eine binäre Codierung, mehr als ein Netz aus Datennutzungen und mehr als ein Prinzip der Mustererkennung in unsere soziale Welt ein." Sie nehmen Einfluss darauf, wie Soziales politisch werden kann und wirken normativ, sagt Müller-Mall.
Die Rechtsphilosophin verwendet Algorithmen als Chiffre für Techniken künstlicher Intelligenz. Mit diesen werde aber kein gesichertes Wissen über die Zukunft, über gute und wichtige Entscheidungen entwickelt, sondern ein Wissen über Wahrscheinlichkeiten, mit denen das Zukünftige in einer bestimmten Form eintreten könnte. Sie mahnt an, Algorithmen nicht einfach zu nutzen, sondern kritisch zu prüfen, wo und wie wir sie überhaupt einsetzen wollen. Nur wenn man sie als politisch begreife, sei ein selbstbestimmter und demokratischer Umgang mit ihnen möglich.
Das zugrundeliegende Forschungsprojekt "Codification 3.0 – Die Verfassung künstlicher Intelligenz" wurde von der VolkswagenStiftung in ihrer Initiative "Originalitätsverdacht?" gefördert. Im Interview mit Mareike Knoke erläutert Sabine Müller-Mall ihren Ansatz und verdeutlicht, warum das Thema für sie nicht nur als Juristin so relevant ist.
Publikation: Sabine Müller-Mall: Freiheit und Kalkül. Die Politik der Algorithmen, Reclam 2020.