Die sechste Welle der Migration: Wege aus der Flüchtlingskrise
Die Flüchtlingskrise in Europa ist akut. Neben strenger werdenden Einwanderungsgesetzen verschärft auch der bevorstehende Winter die Situation. Randall Hansen, Historiker und Politikwissenschaftler, versuchte, in einem öffentlichen Abendvortrag Lösungswege aufzuzeigen.
Migration ist kein neues Phänomen in Europa. Bereits in der Vergangenheit haben Menschen ihre Städte und Staaten verlassen. Die erste große Welle erfolgte zwischen den 1830er und 1920er Jahren, vor allem in den Balkangebieten. Es folgte eine zweite Welle in der Mitte der 1930er bis in die frühen 1950er Jahre, eine weitere in den späten 1940er bis in die frühen 1970er, anschließend von den frühen 1970er bis Mitte der 1990er Jahre, seitdem eine fünfte Welle bis heute und schließlich startete die sechste Flüchtlingswelle in diesem Jahr 2015.
Das Phänomen begegnete also bereits unseren Vorfahren und sie lernten, damit umzugehen. Mit diesem geschichtlichen Überblick begann Prof. Randall Hansen, Direktor des Centre for European, Russian and Eurasien Studies an der University of Toronto, seinen Abendvortrag. Anschließend gab er Einblicke in weitere Daten und Fakten. So beleuchtete er die Zahlen der ausländischen Bewohner europäischer Länder im Vergleich und zeigte auf, wie sich die Zahl der Immigranten seit 2003 entwickelt hat.
Vorteile und Vorurteile
Im weiteren Verlauf rückte Hansen verschiedene Vorurteile, die immer wieder zu hören und zu lesen sind, in den Fokus. Beispielsweise stellte er klar, dass die Behauptung, Immigration sei eine Bedrohung für den Wohlfahrtsstaat, nicht haltbar ist. Auch den Zusammenhang zwischen Immigration und wirtschaftlicher Entwicklung eines Landes analysierte Hansen am Beispiel der USA. So erklärte er etwa, dass wirtschaftliche Effekte der Immigration als gering einzuschätzen seien und unter anderem stark davon abhängen, welche Fähigkeiten die Immigranten mitbringen.
Den Zusammenhang zwischen demografischer Entwicklung und Migrationsbewegung illustrierte Hansen am Beispiel von Deutschland. Um den momentanen sozialstaatlichen Generationenvertrag aufrecht zu erhalten, würde der deutsche Staat laut Schätzungen der UN jährlich rund 3,4 Mio. Zuwanderer zwischen den Jahren 1995 und 2050 benötigen, erklärte der Wissenschaftler. Ohne Zuwanderer könnte sich das Sozialsystem, wie es heute besteht, folglich nicht mehr tragen. Weiterhin berichtete er davon, dass die Immigrationsrate sowie die Zahl der Immigrationsgegner nicht unmittelbar miteinander zusammenhängen. Als größte Herausforderungen für freiheitliche demokratische Werte benannte Hansen Islamophobie, Antisemitismus und das Verbot der Redefreiheit.
Tina Walsweer