Förderpreis "Opus Primum" für Buch über Indianer-Missionierung

Dr. Manuel Menrath erhält für sein Buch "Mission Sitting Bull: Die Geschichte der katholischen Sioux" den mit 10.000 Euro dotierten Förderpreis Opus Primum der VolkswagenStiftung.

Am 23. November 2016 ist es wieder so weit: Bei einer Festveranstaltung im Schloss Herrenhausen in Hannover verleiht die VolkswagenStiftung zum sechsten Mal ihren Förderpreis "Opus Primum" für die beste wissenschaftliche Nachwuchspublikation. Ausgezeichnet wird in diesem Jahr Dr. Manuel Menrath, Jg. 1974, von der Universität Luzern. 

Warum so viele Sioux-Indianer katholisch sind

Sein Sachbuch über die Missionierung der Sioux in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verspricht Leserinnen und Lesern einen hohen Erkenntnisgewinn. Denn wer in Europa weiß schon, dass ein Großteil der Sioux dem katholischen Glauben anhängt? Einst galten die Sioux als das kriegerischste Indianer-Volk auf dem Gebiet der heutigen USA. Unter ihren Anführern Red Cloud (1822-1909) und Sitting Bull (ca. 1831-1890) lehrten sie die weißen Siedler das Fürchten. Doch nachdem die Büffel beinahe ausgerottet waren und die Armee ihre Jagdgründe endgültig besetzt hatte, mussten sich auch die letzten Widerstandskämpfer mit ihren Familien ins Reservat begeben. Dort wurden sie zum Beispiel vom Schweizer Benediktiner Martin Marty (1834-1896) aus Einsiedeln missioniert und "zivilisiert". Während sich Red Cloud katholisch taufen ließ, hielt Sitting Bull an der traditionellen Überlieferung fest. Damit forderte er Marty und seine Missionare immer wieder aufs Neue heraus.

Sechs Fragen an den Autor

Jens Rehländer, VolkswagenStiftung, befragte Manuel Menrath über Missionare und Missionierte im Buch – und welche Spuren die Indianermission im Alltag der Nachgeborenen hinterlassen hat.

War der Benediktiner Martin Marty ein Kind seiner Zeit oder ein Visionär?

Was seine Sozialisierung anbelangt, war er gewiss ein Kind seiner Zeit. Er wuchs in einer erzkonservativen katholischen Umwelt auf und hat erlebt, wie die Kirche in seiner Heimat durch den liberalen Staat zurückgedrängt wurde. Als er mit 26 Jahren in die USA kam, um beim Aufbau der Niederlassung seines Mutterklosters zu helfen, hatte er viele Visionen. Die negativen Erfahrungen aus der Schweiz und sein Drang, mit allen Mitteln Gott und dem Papst zu dienen, machten ihn zu einem Kulturkämpfer der besonderen Art. Er träumte von einem rein katholischen Mittleren Westen der USA und wollte die Sioux zu betenden Bauern umerziehen. Er war der tiefen Überzeugung, dass dies "Gottes Wille" sei. Daher reiste er sogar dem allseits gefürchteten Chief Sitting Bull nach, als sich dieser noch auf dem Kriegspfad befand.

Hat Marty je versucht, die Sioux-Kultur zu verstehen?

Nein. Er bedauerte zwar ihre miserable Lage und verurteilte das brutale Vorgehen der Armee. Doch ihre Kultur betrachtete er stets als minderwertig und "barbarisch". Entsprechend handelte er gemäß der Losung "Töte den Indianer und rette den Menschen". Damit beteiligte er sich an einem kulturellen Völkermord. Er setzte sich für ein Verbot der seiner Meinung nach "teuflischen" Rituale der Sioux ein. Zudem ließ er den Eltern ihre Kinder wegnehmen, um sie abgeschirmt vom angeblich schlechten indianischen Einfluss in katholischen Internaten zu erziehen.

Wie gedenkt man Marty und den Missionaren heute in den USA?

Den Missionaren wurde große Ehre zuteil. Marty ging als "Apostel der Sioux" in katholische Geschichtsbücher ein. Es gibt Statuen von ihm, eine Gedenkkapelle erzählt seine Vita in farbigen Glasfenstern und eine Universität trägt seinen Namen. 1980 wurde er sogar in die South Dakota Cowboy and Western Heritage Hall of Fame aufgenommen. Die katholische Erinnerungskultur hat jedoch eine deutliche Schlagseite. Während die Missionare heldenhaft dargestellt werden, erscheinen die Sioux als passive Statisten. 

An wen richtet sich Ihr Buch?

Das Buch richtet sich an alle, die die Geschichte der USA nicht nur aus rein westlicher Perspektive verstehen wollen. Durch die multiperspektivische Annäherung, die auch den Handlungsspielraum der Sioux beschreibt, wird die Tragödie, die sich im amerikanischen Westen abgespielt hat, an einem konkreten Beispiel fassbar. Dies wiederum trägt zu einem besseren Verständnis der heutigen Indianer bei.

Wie ist die Situation der Sioux heute?

Einige Reservate gleichen Drittweltgebieten mit einer Arbeitslosigkeit von 85 Prozent, einer Lebenserwartung von 45 Jahren und enorm hohen Selbstmordraten. Zudem fühlen sich die Sioux nach wie vor diskriminiert. Seit Monaten spielt sich im Reservat Standing Rock, in dem Marty gewirkt hatte, ein Drama ab. Durch den Bau einer Erdöl-Pipeline ist die Reinheit des Grundwassers gefährdet. Zudem wird mitten in einem Gebiet gebaut, in dem die Sioux ihre Ahnen bestattet hatten. Tausende Indianer aus allen Landesteilen demonstrieren täglich dagegen und liefern sich heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei. Es ist die größte indianische Widerstandsbewegung seit Jahren. Doch sie zeigt auf, dass die Indianer weiterhin für ihre Rechte und ihre kulturelle Identität kämpfen. Zwischen der weißen Dominanzgesellschaft und der indigenen Bevölkerung besteht ein tiefer Graben. Dieser lässt sich nur überbrücken, wenn die Euro-Amerikaner auch die Geschichte der Indianer als Teil der USA begreifen und ihre Sichtweise verstehen lernen.

Haben Sie schon Ideen, was Sie mit dem Förderpreis von 10.000 Euro machen möchten?

Ja. Ich forsche derzeit zur Geschichte der Cree-Indianer im nördlichen Ontario in Kanada. Viele Reservate sind nur per Flugzeug erreichbar und die entsprechenden Tickets teuer. Mit dem Geld wird es mir möglich sein, ein paar ausgewählte Reservate zu besuchen und dort Interviews zu führen.

Bibliographie

"Mission Sitting Bull. Die Geschichte der katholischen Sioux", Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh, 2016; 373 Seiten mit 50 s/w Abb., 39,90 Euro (48,70 CHF)

Manuel Menrath, Autor von "Mission Sitting Bull: Die Geschichte der katholischen Sioux", wird mit dem Förderpreis "Opus Primum" der VolkswagenStiftung ausgezeichnet.

Hintergrundinformationen zum Förderpreis Opus Primum

Die VolkswagenStiftung verleiht die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung für die beste wissenschaftliche Nachwuchspublikation. Damit möchte die Stiftung zum einen akademische Nachwuchskarrieren fördern und zum anderen unterstreichen, dass Wissenschaftsvermittlung an ein breites Publikum für die deutsche Forschung eine zentrale Aufgabe ist. Weitere Infos unter Förderpreis Opus Primum.