Herkunft von Bänderschnecken-Arten untersucht

Zu der Gattung der Bänderschnecken wurden bisher vier Arten gerechnet. Eine Untersuchung dieser und weiterer Arten aus der Familie der Schnirkelschnecken hat neue verwandtschaftliche Beziehungen aufgedeckt.

Nach bisherigem Kenntnisstand wurden zur Schnirkelschnecken-Gattung der Bänderschnecken (Cepaea) bisher vier Arten gerechnet: Die in Mitteleuropa weit verbreiteten Hainbänderschnecken (Cepaea nemoralis) und Gartenbänderschnecken (Cepaea hortensis) sowie die Waldbänderschnecken (Cepaea sylvatica), die hauptsächlich in den westlichen Alpen heimisch sind, und die Gerippten Bänderschnecken (Cepaea vindobonensis), die vor allem in Südost- und Osteuropa, aber auch im oberen Elbtal bis nach Deutschland verbreitet sind.

Im Rahmen eines Forschungsprojektes konnten Prof. Dr. Bernhard Hausdorf und Marco Neiber von der Universität Hamburg zeigen, dass nicht nur die Verwandtschaftsverhältnisse der Bänderschnecken anders sind als gedacht, sondern auch ihr Ursprung. Die Wissenschaftler haben die Besiedlung der Kaukasusregion durch Landschnecken erforscht und daraus den Stammbaum der Familie der Schnirkelschnecken rekonstruiert. Dafür haben sie sich DNA-Sequenzen zunutze gemacht. Und es zeigt sich: Die vier Bänderschneckenarten sind nicht näher miteinander verwandt. Ausschließlich bei der Hainbänderschnecke und der Gartenbänderschnecke handelt es sich um Schwesterarten, das heißt es gibt große genetische Übereinstimmungen zwischen ihnen. Die Waldbänderschnecke dagegen gehört zu einer Gattung, die in den Westalpen heimisch ist, und muss ab jetzt Macularia sylvatica genannt werden. Die Gerippte Bänderschnecke ist mit einer hauptsächlich in der Kaukasusregion verbreiteten Gruppe von Arten verwandt und muss daher Caucasotachea vindobonensis heißen. Daraus folgt, dass die vier Arten nicht nur nicht näher miteinander verwandt sind; sie haben zudem einen unterschiedlichen "Migrationshintergrund".

Stammbaum neu schreiben

Die Ergebnisse der Studie wirken sich nicht nur auf die Kenntnisse des Stammbaumes der Schnirkelschnecken und dort im Besonderen auf die Gattung der Bänderschnecken aus. Auch für ein spezielles Fachgebiet im Bereich der Genetik, nämlich Forschungen zum Polymorphismus, haben sie weitreichende Folgen: Polymorphismus bezeichnet generell das Auftreten mehrerer genetischer Varianten innerhalb einer Population. Diese genetischen Unterschiede können sich durchaus auch auf die äußere Erscheinungsform der Lebewesen auswirken. Innerhalb der Gattung der Bänderschnecken unterscheiden sich die Individuen beispielsweise hinsichtlich ihrer Gehäusefarbe sowie der Anzahl der meist dunkelbraunen Bänder auf dem Gehäuse (siehe Foto). Die beiden vermeintlichen "Cepaea"-Arten (Waldbänderschnecke und Gerippte Bänderschnecke), deren Stammbaumzugehörigkeit nun neu bestimmt wurde, weisen eine geringere Variabilität auf als die beiden mitteleuropäischen echten Bänderschnecken. Bislang wurden aber ausgerechnet sie eben wegen ihrer reduzierten Komplexität als Modellorganismen für genetische Untersuchungen zum Thema Polymorphismus vorgeschlagen.

Da die neuen Ergebnisse jetzt zeigen, dass die Waldbänderschnecke und die Gerippte Bänderschnecke mit den echten Bänderschnecken nur sehr entfernt verwandt sind, muss nun zunächst nachgewiesen werden, dass die Variabilität des äußeren Erscheinungsbildes dieser beiden vermeintlichen "Cepaea"-Arten durch die gleichen genetischen Mechanismen bestimmt wird, wie sie bei den echten Bänderschneckenarten zugrunde liegen. "Die Studie zeigt damit beispielhaft, wie wichtig die Kenntnis des richtigen Stammbaums für die vergleichende Biologie ist", erklärt Prof. Hausdorf. Die Ergebnisse der molekulargenetischen Untersuchung der Hamburger Zoologen und Evolutionsbiologen hat jetzt die Fachzeitschrift "Molecular Phylogenetics and Evolution" veröffentlicht. Die VolkswagenStiftung hat das Projekt in der Förderinitiative "Forschung in Museen" unterstützt. Die Förderinitiative richtet sich an Museen unterschiedlicher Größe und thematischer Ausrichtung, die Forschungsarbeiten zu ihren Sammlungen betreiben möchten.

Informationen zur Publikation

Molecular phylogeny reveals the polyphyly of the snail genus Cepaea (Gastropoda: Helicidae)
Marco T. Neiber, Bernhard Hausdorf
Molecular Phylogenetics and Evolution, Volume 93, December 2015, Pages 143-149

Die Hainbänderschnecke, Gartenbänderschnecke, Gerippte Bänderschnecke und Waldbänderschnecke. (Foto: UHH/Hausdorf)