Herrschaft im mittelalterlichen Iran

Das "Opus magnum" von Jürgen Paul bietet neue Erkenntnisse in der mediävistisch-historischen Islamwissenschaft: Buchvorstellung am 4. Mai an der Universität Hamburg.

In seinem eben erschienenen Werk "Lokale und imperiale Herrschaft im Iran des 12. Jahrhunderts. Herrschaftspraxis und Konzepte" analysiert Prof. Dr. Jürgen Paul, Universität Halle Wittenberg, die Herrschaftsverhältnisse im vormongolischen Iran und in Mittelasien. Der Vorstellung von "Reich" und dem damit verbundenen Bild des Sultans als absolutem Herrscher setzt der Islamwissenschaftler ein Verständnis von Herrschaft (lordship) entgegen, das verstärkt auf die vielfältigen Verflechtungen von Ansprüchen und Verpflichtungen eingeht, die zur Produktion von Herrschaft gehören.

Zentral ist die Untersuchung der sozialen Bindungen zwischen Repräsentanten unterschiedlicher Niveaus von Herrschaft, die insbesondere mit den Begrifflichkeiten von "Dienst" und "Wohltun" beschrieben werden. Als Material dienen neben "Erfolgsgeschichten" auf der imperialen Ebene auch Berichte von gescheiterten und flüchtigen Staatsgründungen. Die Förderung in der Initiative "Opus magnum" der VolkswagenStiftung ermöglichte es Professor Paul, die Auswertung arabischen und persischen Quellenmaterials mit Ergebnissen und Ansätzen aus der europäischen und japanischen Geschichte und der Politikwissenschaft zu verknüpfen.

Reste der Burg Šāhdīz, Nihbandān, Quhistān, Iran. (Foto: Ali Shojaee Esfahani)

In einer umfangreichen Einleitung benennt Paul die theoretischen Grundlagen des Buches: Zentral sind dabei das Staatsverständnis, die Geschichte des politischen Denkens im iranischen Mittelalter und der Feudalismusbegriff. In drei Schritten arbeitet Paul sodann die Organisation der lokalen und imperialen Herrschaftsverhältnisse auf. Zunächst weist er nach, dass es im Iran in der fraglichen Zeit eine Schicht lokaler Herren gab, die nicht von einem Oberherrn eingesetzt waren. Zweitens untersucht er die Verbindung zwischen dem Sultan und diesen lokalen Lords, aber auch denjenigen Großen des Reichs, die dem Haushalt des Sultans angehören. Im Schlussteil wird das iranische Material in einem Vergleich mit Westeuropa und Japan eingeordnet.

Literaturangabe

Jürgen Paul: Lokale und imperiale Herrschaft im Iran des 12. Jahrhunderts. Herrschaftspraxis und Konzepte. Wiesbaden (Reichert) 2016, (Iran – Turan Bd. 13) 568 S., Gebunden (ISBN: 9783954901036)

Buchvorstellung am 4. Mai in Hamburg

Im Rahmen einer Veranstaltung der "Hamburger Orient-Gesellschaft - Carl-Heinrich-Becker-Gesellschaft" am 4. Mai um 18 Uhr im Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg, Edmund-Siemers-Allee 1 referiert Professor Paul über "Carl Heinrich Beckers 'Lehnswesen'-Aufsatz von 1914 und seine Wirkung. Ein Beitrag zur Feudalismusforschung zum islamischen Mittelalter."

Hintergrund: Die Förderinitiative "Opus magnum"

Das Förderangebot richtet sich an herausragende Professorinnen und Professoren aus den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften. Entlastet durch eine Lehrvertretung sollen sie die Möglichkeit bekommen, ein größeres wissenschaftliches Werk "Opus magnum" zu einem anspruchsvollen Thema zu verfassen. Weitere Informationen unter "Opus magnum".