Kieselalgen können Steine gut riechen

Einzellige Mikroalgen nehmen gelöste Minerale im Wasser wahr – Chemiker der Universität Jena um Prof. Dr. Georg Pohnert publizieren Forschungsergebnisse in "Nature Communications".

Kieselalgen (Diatomeen) sind Hauptbestandteil des marinen Phytoplanktons, der Nahrungsgrundlage für eine Vielzahl von Meeresbewohnern. Zudem produzieren die Algen rund ein Fünftel des Sauerstoffs in der Erdatmosphäre und sind damit ein zentraler Faktor für das Weltklima. Die winzigen Einzeller besitzen aber auch noch eine weitere erstaunliche Fähigkeit: sie können Stein "riechen".

"Genauer gesagt, sind die Algen in der Lage, gelöstes Silikat-Mineral zu orten", erläutert Prof. Dr. Georg Pohnert, Inhaber des Lehrstuhls für Instrumentelle Analytik/Bioorganische Analytik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Fellow am Jenaer Max-Planck-Institut für chemische Ökologie. Wie der ehemalige Lichtenberg-Professor und sein Forscherteam in ihrer jetzt veröffentlichten Studienachweisen konnten, spüren die Kieselalgen nicht nur Silikate im Wasser auf. Sie bewegen sich außerdem aktiv an die Stellen, an denen der Silikatgehalt besonders hoch ist. Silikat benötigen die Algen zum Aufbau ihrer stabilen mineralischen Zellwände, die wie bei einem Schuhkarton mit Deckel aus zwei überlappenden Teilen bestehen. Während der Zellteilung erhalten die neuen Zellen jeweils eine Hälfte der Schachtel und bilden den fehlenden Deckel neu.

Für ihre Studie haben die Jenaer Forscher gemeinsam mit internationalen Kollegen der Universität Gent (Belgien) Kieselalgen der Art "Seminavis robusta" unter dem Mikroskop beobachtet und gefilmt. Das dabei entstandene Video zeigt, was passiert, wenn man den Algen ein Körnchen Silikat-Mineral vorsetzt: Die winzigen Einzeller, die in einem Biofilm auf einer festen Unterlage wachsen, bewegen sich im Zickzack-Kurs auf die Silikatquelle in der Bildmitte zu und "fressen" sie förmlich auf. Auch wenn es sich bei ihren Untersuchungen derzeit um reine Grundlagenforschung handelt, sehen die Jenaer Chemiker durchaus Möglichkeiten, ihre Erkenntnisse langfristig auch praktisch zu nutzen, etwa, um Schiffsrümpfe oder Wasserleitungen so zu gestalten, dass sie algenfrei bleiben.

Weitere Informationen unter www.uni-jena.de/Forschungsmeldungen/FM160204_Kieselalgen.html.

Original-Publikation

Bondoc KG et al. Selective silica-directed motility in diatoms, Nature Communications 2016 (DOI: 10.1038/ncomms10540)

Wer versteht das Algen-ABC? Georg Pohnert & Team im Videoblog sciencemovies und im Magazin "Impulse"

Im Videoblog sciencemovies der VolkswagenStiftung präsentieren die Chemikerinnen Caroline Kurth und Andrea Bauer von der Friedrich-Schiller-Universität Jena die Arbeitsgruppe von Professor Georg Pohnert, in der sich alles um die biochemische Verständigung mariner Algen dreht: Wer versteht das Algen-ABC?.

Um Georg Pohnert und sein Team geht es auch in der aktuellen Ausgabe unseres Wissenschaftsmagazins "Impulse 2016/1" (ab S. 26), das hier zum kostenlosen Download bereitsteht: "Impulse 2016/01".

Hintergrund: Lichtenberg-Professuen 

Mit den "Lichtenberg-Professuren" kombiniert die VolkswagenStiftung die personen- und institutionsbezogene Förderung: Indem herausragende (Nachwuchs-)Wissenschaftler(innen) eine Tenure-Track-Option an einer selbst gewählten deutschen Universität erhalten, bekommen sie die Möglichkeit, eigenständig und langfristig in innovativen und interdisziplinären Bereichen zu forschen. Der nächste Stichtag ist der 1. Juni 2016. Mehr Infos unter "Lichtenberg-Professuren".

Prof. Dr. Georg Pohnert (Foto: Anne Günther/FSU)