Sehr großes Interesse an der Förderinitiative "Experiment!"

630 Anträge gingen in der zweiten Ausschreibungsrunde der Initiative ein. Daraus bewilligte die Stiftung 19 risikoreiche Projekte aus den Natur-, Ingenieur- und Lebenswissenschaften.

Mit der 2013 erstmals ausgeschriebenen Förderinitiative "Experiment!" unterstützt die VolkswagenStiftung neue Forschungsansätze mit ungewissem Ausgang – und stößt damit auf eine überwältigende Resonanz: Nach 704 Anträgen in der ersten Runde, 13 davon wurden bewilligt, war mit 630 Anträgen auch das Interesse an der zweiten Ausschreibung sehr hoch. 19 Projekte können jetzt mit finanzieller Unterstützung der Stiftung ihren innovativen Forschungsideen nachgehen, drei davon werden im Folgenden kurz vorgestellt:

Manche Fledermausarten ernähren sich von Blütennektar. Deswegen haben einige fledermausbestäubte Pflanzen spezielle Blütenteile entwickelt, damit Fledermäuse sie besser finden. (Bild: Ralph Simon/Vrije Universiteit Amsterdam)

Ultraschall-Reflektoren nach dem Vorbild echoreflektierender Blütenblätter

Fahrerlose Vehikel, Roboter und auch moderne PKWs besitzen heutzutage meist standardmäßig eingebaute Sonarsysteme, die hauptsächlich zur Abstandsmessung per Ultraschallsignal eingesetzt werden. Doch die Technik bietet weit mehr Potenzial, wie Fledermäuse zeigen, die sich mittels Ultraschallsonar orientieren. Bislang gibt es allerdings kaum geeignete Landmarken oder Signale, mit deren Hilfe Sonarsysteme in Fahrzeugen zur Orientierung in einer neuen Umgebung eingesetzt werden könnten. Hier setzt das "Experiment!" von Dr. Ralph Simon und Dr. Stefan J. Rupitsch vom Lehrstuhl für Sensorik der Universität Erlangen-Nürnberg an. Die Wissenschaftler wollen bioinspirierte Ultraschall-Reflektoren für die Navigation von Robotern und fahrerlosen Fahrzeugen entwickeln.

Spinnenseide als Kleber für Nervenzellen im Gehirn

Spinnenfäden sind extrem elastisch und reißfest, hitzeresistent und antibakteriell. Zudem stößt der menschliche Körper sie nicht ab und sie sind biologisch abbaubar. Das sind perfekte Voraussetzungen für eine ungewöhnliche medizinische Anwendung, die Prof. Dr. Manuela Gernert von der Tierärztlichen Hochschule Hannover und Prof. Dr. Christine Radtke von der Medizinischen Hochschule Hannover im Rahmen ihrer "Experiment!"-Förderung planen: Sie wollen Spinnenseide nutzen, um Epilepsie-Patienten vor Krampfanfällen zu bewahren. Derzeit testen Wissenschaftler weltweit im Nagetiermodell einen neuen Ansatz zur Behandlung von Epilepsie: Sie transplantieren Vorläuferzellen von sogenannten inhibitorischen Interneuronen in übererregbare Gehirnregionen. Diese Schaltneuronen unterdrücken die Reizübertragung auf die Nachbarzellen, wirken also krampflösend, und können somit epileptische Anfälle verhindern oder abschwächen. Die praktische Schwierigkeit: Die transplantierten Zellen sind sehr mobil und müssen so lange fixiert werden, bis sie sich in das neuronale Netz integriert haben. Gernert und Radtke haben eine außergewöhnliche Idee, um die Zellen an der richtigen Stelle im Gehirn zu halten, denn die Nervenzellen haften außerordentlich gut an Spinnenseide. Wenn es also gelingt, Spinnenseide in die betroffenen Gehirnregionen einzubringen, könnte sie dort sozusagen als Kleber für die Schaltneuronen dienen. Dafür wollen die Wissenschaftlerinnen eine mikrochirurgische Methode entwickeln, die nicht nur für Transplantationsstudien im Bereich Epilepsie, sondern auch bei anderen neurologischen Erkrankungen eingesetzt werden könnte, bei denen mit Zelltransplantationen experimentiert wird.

Prof. Dr. Manuela Gernert von der Tierärztlichen Hochschule Hannover und Prof. Dr. Christine Radtke von der Medizinischen Hochschule Hannover wollen Spinnenseide nutzen, um Epilepsie-Patienten vor Krampfanfällen zu bewahren. (Foto: Christine Radtke, Medizinische Hochschule Hannover)

Hartplastik statt Gußeisen: Der Motor der Zukunft

Eine aktuelle Herausforderung für die moderne Gesellschaft besteht darin, den Treibstoffverbrauch und die CO2-Emissionen von Fahrzeugen zu reduzieren. Dafür arbeitet die Automobilindustrie u.a. an der Verringerung des Fahrzeuggewichts, insbesondere von Karosseriebauteilen. Doch auch beim Motor wäre eine Gewichtsreduktion sinnvoll: Motoren bestehen heute zumeist aus Gusseisen und bringen im PKW zwischen hundert und dreihundert Kilo, im LKW auch mal über eine Tonne auf die Waage. Hier kommt die "Experiment!"-Idee von Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Tillmann von der Technischen Universität Dortmund ins Spiel: Er plant eine komplett neue, leichte Motorenkonstruktion – aus Hartplastik oder Glasfaser- bzw. Carbonfaser-Kunststoff-Verbundstoffen. Zu diesem Zweck möchte der Wissenschaftler zunächst eine neue Methode entwickeln, um schmale Röhren, über die die Verbrennungshitze in das Kühlwasser ableitgeleitet werden kann, mit einer dünnen, extrem glatten und verschleißarmen Oberfläche zu produzieren. Daraus wird der Kühlzylinder aufgebaut, der zudem eine äußere Ummantelung zur thermischen Abschirmung erhält. In Kombination mit Originalbauteilen will Tillmann daraus schließlich einen einfachen Motorblock konstruieren. Weitere Informationen zu allen 19 geförderten Projekten finden Sie über die Projekt-Personen-Suche der VolkswagenStiftung.

Beispiele für Projekte aus der ersten Runde können Sie im Bericht Rückenwind für Kreative: Erstes Forum Experiment! nachlesen.

Schematische Darstellung des geplanten Schichtaufbaus der Zylinderstruktur: Eine verschleißfeste Schicht, eine strukturierte, wärmeableitende Kupferschicht, eine Messingmanschette und eine Wärmedämmschicht, eingebettet in einen Block aus kohlenstoffaserverstärktem Kunststoff (von innen nach außen). Copyright: Wolfgang Tillmann, Technische Universität Dortmund