Susanne Muhle erhält Förderpreis Opus Primum
Bis zu 400 Menschen wurden vor allem in den 1950er Jahren im Auftrag des Ministeriums für Staatssicherheit aus Westdeutschland in die DDR entführt. Opfer waren zum Beispiel Mitarbeiter westlicher Geheimdienste oder aus der DDR geflohene Angehörige des MfS. Auf breiter Quellengrundlage hat Dr. Susanne Muhle, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Gedenkstätte Berliner Mauer arbeitet, zu Hintergründen und Tathergängen recherchiert. Sie hat damit die erste systematische Studie zu diesem Kapitel deutscher Geschichte vorgelegt.
Für diese Leistung wurde die Autorin am 25. November im Rahmen einer feierlichen Abendveranstaltung mit dem Opus Primum Förderpreis der VolkswagenStiftung ausgezeichnet. Die Jury hatte das Werk "Auftrag: Menschenraub. Entführungen von Westberlinern und Bundesbürgern durch das Ministerium für Staatssicherheit der DDR" aus über 60 Einsendungen ausgewählt. Prof. Gabriele Clemens hielt die Laudatio auf die Preisträgerin und hob dabei vor allem die umfangreiche und sensible Quellenarbeit hervor. "Susanne Muhle gelingt es, die systematische Analyse der Entführungspraxis mit der Schilderung bewegender Einzelfälle zu verbinden und so eine äußerst spannende, gut geschriebene Publikation vorzulegen, die nicht nur Fachwissenschaftler, sondern auch ein breites Publikum anspricht", fasste sie zusammen. Susanne Muhle nahm den mit 10.000 Euro dotierten Förderpreis Opus Primum aus den Händen von Dr. Wilhelm Krull, dem Generalsekretär der VolkswagenStiftung und Vorsitzenden der Opus Primum-Jury, entgegen.
Im anschließenden Gespräch mit NDR-Moderatorin Lena Zieker berichtete die frisch gekürte Preisträgerin, dass sie sich bei ihrer Recherche regelrecht wie eine "Detektivin" gefühlt habe. Bei ihrer Arbeit erstaunte sie, wie akribisch – teilweise über Jahre hinweg – die Entführungsaktionen durch die Stasi vorbereitet wurden: "Die Stasi-Akten lasen sich teilweise wie Drehbücher für Spionagefilme." Gleichzeitig stieß sie auch auf sehr persönliche Dokumente: So fand sie in den Akten auch Briefe von zu Tode Verurteilten an deren Familien, welche die Stasi jedoch nie weitergeleitet hatte. Das Thema der Stasi-Entführungen lässt die Preisträgerin nicht los: Mit dem Preisgeld von 10.000 € möchte sie der Rolle der westlichen Geheimdienste nachspüren und in den USA die Akten der CIA zu den Entführungsfällen einsehen.
Ebenfalls verliehen wurde der NDR Kultur Sachbuchpreis, der in diesem Jahr an den Journalisten und Autoren Christoph Reuter ging. Sein Buch "Die schwarze Macht. Der 'Islamische Staat' und die Strategen des Terrors", für das die Jury sich wenige Tage vor den Pariser Anschlägen entschieden hatte, beleuchtet Strukturen und Hintergründe der Terror-Organisation "Islamischer Staat". Für die musikalische Untermalung der feierlichen Gala, die live von NDR Kultur übertragen wurde, war das Ensemble Amarcord zu Gast. Das Schlusswort – ein Plädoyer für die angemessene Würdigung des Sachbuchs – sprach der Autor und Journalist Eric T. Hansen: "Sachbücher zu schreiben ist die wichtigste Arbeit, die ein denkender Mensch heute leisten kann."
Auf den Seiten des NDR Kultur finden Sie die Videoaufzeichnung der Verleihung des NDR Kultur Sachbuchpreises an Christoph Reuter und des Opus Primum Förderpreises an Susanne Muhle.
zur Preisträgerin finden Sie in unserer Pressemitteilung und in einem Interview auf unserer Homepage. Susanne Muhles Werk erhalten Sie im Buchhandel: "Auftrag: Menschenraub. Entführungen von Westberlinern und Bundesbürgern durch das Ministerium für Staatssicherheit der DDR. Göttingen. Vandenhoeck & Ruprecht, 2015; 670 Seiten, 49,99 Euro.