Vorbild Pflanzensamen: Forschung zu nachhaltiger Verpackung
Wie könnten synthetische Verpackungsmaterialien nach dem Vorbild von Samenschalen in der Natur nachhaltig hergestellt werden? Das untersuchen Materialwissenschaftler:innen und Ökolog:innen des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam und der Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS).
"Damit zum Beispiel Chips schön knusprig oder Nüsse schön frisch bleiben, müssen sie vor Sauerstoff und Wasser geschützt werden. Dafür sorgen Multi-Schicht-Verpackungsmaterialien, die aus Aluminium und anderen Kunststoffen bestehen. Diese Multi-Schicht-Verpackungen sind sehr effektiv gegen Wasser- und Sauerstofftransport, haben aber den gravierenden Nachteil, dass sie sich äußerst schwer wieder in die einzelnen Komponenten auftrennen und damit auch nicht recyceln lassen", so beschreibt der Materialwissenschaftler Prof. Dr. John Dunlop vom Fachbereich Chemie und Physik der Materialien der PLUS ein großes Verpackungsabfallproblem.
Ein Lösungsansatz könnte im Vorbild von widerstandsfähigen Hüllen von Pflanzensamen zu finden sein, ist Dunlop überzeugt. Denn so unscheinbar Pflanzensamen und ihre Hüllen für die meisten Betrachter sind, so außergewöhnlich sind ihre Eigenschaften. Pflanzensamen schlummern unter extremen Umweltbedingungen wie Hitze, Frost, Strahlung oder mikrobiellem Befall oft monate- oder jahrelang im Boden. Erst bei geeigneten Bedingungen beginnen sie dann zu sprießen. In der Zwischenzeit schützt die Hülle den Samen bestens und ist verantwortlich dafür, dass er danach jederzeit keimen kann.
Eine solche Pflanze ist zum Beispiel Silene acaulis, das stängellose Leimkraut, bekannt auch als Polsternelke. Sie kommt in der hochalpinen Gegend der Alpen vor und liegt ungefähr zehn Monate lang unter Schnee. Die Initiative zur Untersuchung hochalpiner Samen sowie deren Samenhülle geht auf die Idee von Michaela Eder zurück, sie ist Biomaterialforscherin am MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam. "Im Rahmen von Feldexperimenten werden wir auch sehr widerstandsfähige australische Kieselsteinpflanzen sowie deren Samen und -schalen unter die Lupe nehmen", erklärt Dunlop.
Spannende neue Erkenntnisse erhoffen sich die Forschenden vom interdisziplinären Ansatz des Projekts. "Ziel des Projekts ist es, im ersten Schritt die Schutzfunktion der Samenhülle zu verstehen, dafür braucht es die Zusammenarbeit von Ökologen und Materialwissenschaftlern. Erstaunlicherweise ist bisher sehr wenig über die Schutzfunktion bekannt, wir wissen aber, dass sie sehr effektiv ist. Aufbauend auf den dann gewonnenen neuen Erkenntnissen sollen langfristig Konzepte für nachhaltige pflanzenbasierte oder auch synthetische Verpackungsmaterialien entwickelt werden", sagt Dunlop und ergänzt. "Wir suchen an dem Projekt interessierte Personen, die zu dem Thema promovieren möchten."
Wie wichtig das Thema der nachhaltigen Verpackung ist, zeigt sich auch am neuen Europäischen Verpackungsgesetz (PPWR Europäische Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung), das darauf abzielt, Verpackungen besser recycelbar und wiederverwertbar zu machen. Das Projekt "Seed Coatings as inspiration for sustainable packaging" wird von der Stiftung im Rahmen der Initiative "Zirkularität mit recycelten und biogenen Rohstoffen" bewilligt und erhält eine Fördersumme von 1,2 Millionen Euro für vier Jahre.