Wie viel Venedig steckt in Hannover? Rückblick auf die Veranstaltung "Alles nur Maskerade?"

Wie und warum es zu einem Festkultur-Transfer von Venedig in den Norden kam, war Thema einer Abendveranstaltung in Schloss Herrenhausen. Zudem diskutierten niedersächsische Kulturmanager ausgehend von der historischen Konstellation, was Festspielkultur und Unterhaltung heute ausmacht.

Bei der Veranstaltung am 11. November mit dem Titel  "

Alles nur Maskerade? Sinn und Sinnlichkeit des Vergnügens gestern und heute" stand, passend zum Auftakt der Saison, zunächst der Karneval im Zentrum. Prof. Dr. Sabine Meine vom Musikwissenschaftlichen Seminar der Universität Paderborn und Dr. Nicole K. Strohmann von der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover schilderten anschaulich die aufwändigen Feierlichkeiten und Vergnügungen im Venedig des 17. Jahrhunderts, die die Welfen - wie viele andere europäische Hofgesellschaften – in ihren Bann zogen. Zahlreiche Reisen in die Lagunenstadt mit ausgiebiger Teilnahme an den dortigen Karnevalsfestivitäten wie auch eigene Veranstaltungen zu Ehren der (venezianischen) Aristokratie sind belegt. Zum anderen nahm man viele Inspirationen ins höfische Leben nach Hannover mit und richtete an der Leine und in Herrenhausen Umzüge, Theateraufführungen, Turniere, Bankette und (Masken-)Bälle nach venezianischem Vorbild aus. Der Kulturtransfer führte schließlich zur Errichtung eines Opernhauses nach italienischem Vorbild und Gondelbetrieb auf den Kanälen der Sommerresidenz in Herrenhausen. 

Mit seiner Interpretation eines venezianischen Edelmanns im Karneval zog Falk Maske alle Blicke auf sich. (Foto: Michael Löwa für VolkswagenStiftung)

Auch heute ist das Ensemble von Gebäuden und Gärten in Herrenhäuser ein beliebter Ort für Feierlichkeiten und Vergnügen. So sind das "Kleine Fest im Großen Garten" und die "KunstFestSpiele" weit über Hannover hinaus als attraktive Veranstaltungen bekannt und ziehen ihr jeweiliges Publikum an. Unter der Gesprächsführung von Kulturjournalist Stephan Lohr diskutierten Harald Böhlmann, "Erfinder" des Kleinen Fests, Stephan Buchberger, Chef-Dramaturg der KunstFestSpiele, und Tobias Wolff, Geschäftsführender Intendant der Händel Festspiele Göttingen, welchen Erwartungen und Herausforderungen man sich als "Festivalmanager" heute gegenübersieht. So ist das "Kleine Fest" ein Beispiel dafür, dass nicht immer und überall ein Bildungsauftrag erfüllt werden müsse; Unterhaltung mit Anspruch hat ebenso ihre Berechtigung, bedarf aber der professionellen Organisation. Inwieweit Kultur in Gestalt von musikalisch-künstlerischen Events als "Heilmittel" für Defizite oder Spannungen  in der heutigen Gesellschaft dienen kann, wurde unterschiedlich beurteilt.

Über die aktuelle Festkultur in Niedersachsen diskutierten Stephan Buchberger, Harald Böhlmann und Tobias Wolff - das Gespräch moderierte Stephan Lohr (von links). (Foto: Michael Löwa für VolkswagenStiftung)

Das Publikum des Abends sah sich nicht nur durch die Inhalte des lebendigen Diskurses und des historischen Rückblicks bereichert, sondern konnte angesichts venezianisch inspirierter Maskenträger auch einen sinnlichen Eindruck des Themas mit nach Hause nehmen.

Die Gruppe „Maske de Venezia“ ließ das Veranstaltungspublikum ein wenig an der Faszination des venezianischen Karnevals teilhaben. (Foto: Michael Löwa für VolkswagenStiftung)

Buchhinweis

Musik und Vergnügen am Hohen Ufer. Fest- und Kulturtransfer zwischen Hannover und Venedig in der Frühen Neuzeit;
Herausgeber: Sabine Meine, Nicole K. Strohmann,  Tobias C. Weißmann
Studi. Schriften des Deutschen Studienzentrums in Venedig, Band XV , 2016