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"Wir ermutigen die Wissenschaft, sich weit mehr zu öffnen."

Illustration mit drei Personen, zwei davon mit Megafon, eine Person hält sich die Hand ans Ohr, wie um besser zu hören

Noch bis zum 14. September können Geförderte wieder bis zu 150.000 Euro Zusatzmittel für Wissenschaftskommunikation beantragen. Worauf es dabei ankommt, erläutert der zuständige Förderreferent Pierre Schwidlinski im Gespräch.

Multiple Krisen strapazieren die Nerven der Bevölkerung. Vielfältige Transformationsprozesse schüren diffuse Sorgen. In dieser Lage ist es aus Sicht der Stiftung umso wichtiger, dass die Wissenschaft in öffentlichen Diskursen zu noch mehr faktenbasierter Orientierung beiträgt. Mit einem eigenen Förderangebot unterstützt sie deshalb Vorhaben, die nicht nur Wissenschaft und Forschung verständlicher und zugänglicher vermitteln. Die Projekte sollen auch außerwissenschaftlichen Zielgruppen die Möglichkeit geben, sich mit eigenen Impulsen und Anregungen einzubringen. 

Noch bis zum 14. September können jene Wissenschaftler:innen, die aktuell von der VolkswagenStiftung gefördert werden, Zusatzmittel für Wissenschaftskommunikation beantragen. Der zuständige Fachreferent Dr. Pierre Schwidlinski erläutert im Gespräch, worauf Antragstellende besonders achten sollten. 

Aus vielen Richtungen werden Forschende aufgefordert, mehr Wissenschaftskommunikation zu betreiben. Halten Sie diese Erwartung für gerechtfertigt?

Pierre Schwidlinski: Meiner Meinung nach gibt es darauf keine allgemeingültige Antwort. Ich halte die Stärkung des Dialogs von Wissenschaft und Gesellschaft für hoch relevant. Zugleich sollte Wissenschaftskommunikation immer intrinsisch motiviert sein und auf Freiwilligkeit basieren. Sonst verfehlt sie ihre Wirkung. Einschränkungen ergeben sich auch daraus, dass nicht jede forschende Person automatisch über kommunikatives Talent verfügt. Oder vielleicht auch gar nicht in der Öffentlichkeit sichtbar werden will. Und nicht jedes Forschungsprojekt ist publikumswirksam, zumal in der Grundlagenforschung. Am Ende muss man sich als Forschende:r die Frage stellen: Will ich mit meiner wissenschaftlichen Expertise dazu beitragen, öffentliche Diskurse zu versachlichen? Falls die Antwort Ja ist, gibt es inzwischen vielfältige Unterstützungsangebote an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen, aber auch bei Förderern und Kommunikationsagenturen. 

Warum vergibt die Stiftung die Fördermittel für Wissenschaftskommunikation im wettbewerblichen Verfahren? 

Die Antwort lautet: Es geht nicht um die schlichte Vermehrung von wissenschaftsvermittelnden Vorhaben. Es geht um Pilotprojekte, die zu einer qualitativen Verbesserung von Wissenschaftskommunikation beitragen. Um Best Cases. Daher möchten wir über unsere interdisziplinäre Fachjury die wirklich überzeugendsten Projektanträge herausfiltern, die mit dem größten Innovationspotenzial. Auch wissen wir bislang viel zu wenig, wie Wissenschaftskommunikation wirkt. Ob sie tatsächlich Einstellungen und Sichtweisen ihrer Zielgruppen verändert. Deshalb müssen sich Antragstellende bei uns im Vorfeld schon sehr genau überlegen und im Antrag überzeugend darstellen, welche konkreten Ziele sie mit ihrem Projekt verfolgen. 

Was ist Ihnen in den Anträgen besonders wichtig?

Da würde ich zwei Aspekte herausstellen. Zum einen "Dialog" und "Partizipation". Die Stiftung möchte die Wissenschaft darin bestärken, sich außerwissenschaftlichen Akteursgruppen mehr zu öffnen als bisher. Partizipation wird ja seit Jahren in der Community diskutiert, aber nach wie vor eher zögerlich umgesetzt. Wir ermutigen Antragstellende deshalb ausdrücklich zur Kooperation mit privaten und institutionellen Partner:innen aus der Zivilgesellschaft. Aber auch zur Kooperation mit Profis aus der Kommunikationspraxis: mit Agenturen, Journalist:innen, Pressestellen, kulturellen Einrichtungen. Warum? Weil diese Partner:innen aufgrund ihrer Erfahrungen ein gutes Gespür dafür haben, mit welchen Maßnahmen man unterschiedliche Zielgruppen am besten erreicht. Diese Erfahrung sollten sich Forschende nutzbar machen.  

Sitzender Mann schaut lächelnd in die Kamera

Dr. Pierre Schwidlinski betreut das Förderangebot "Zusatzmittel für Wissenschaftskommunikation". 

Welches sind denn Faktoren, an denen "gute" Wissenschaftskommunikation scheitert?

Meist liegt es am Grundsätzlichem, wie schon erwähnt: Format und Zielgruppen passen nicht zusammen. Die Ziele sind unklar: Will ich mit meinem Projekt Fachinformation vermitteln, zum Dialog einladen, Einstellungen verändern? Wen will ich erreichen? Für wen sind Teile meines Projekts oder daraus gewonnene Erkenntnisse von Relevanz? Wenn mein Projekt sich zum Beispiel mit ethischen Fragen im Forschungsprozess beschäftigt – wen könnte das interessieren?

Haben Sie keine Sorge, dass die Vielfalt dieser professionellen Vorüberlegungen Kommunikationslaien eher abschreckt? 

Deshalb bieten wir Interessierten bereits vor der Antragstellung Online-Workshops an, gemeinsam mit dem Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik). Darin werden die Grundlagen gelingender Wissenschaftskommunikation vermittelt, mit Tipps für die Antragstellung. Für die aktuelle Ausschreibungsrunde sind diese Termine zwar schon vorbei. Aber vielleicht hilft Interessierten ein Auszug aus dem Kriterienkatalog für Gutachtende? Bewertet werden in den Projektanträgen: "Qualität und Originalität des Vorhabens, Passgenauigkeit von Maßnahme und Zielgruppe, Relevanz des Themas für die Zielgruppe, Schlüssigkeit des beantragten Vorhabens in Konzeption, Durchführung und Verbreitung, Plausibilität von Wirkungskriterien."

Partizipation wird ja seit Jahren in der Community diskutiert, aber nach wie vor eher zögerlich umgesetzt.

Mögen Sie ein paar beispielhafte Förderprojekte nennen, die die Anforderungen der Stiftung an Wissenschaftskommunikation gut erfüllt haben?

Im letzten Gespräch zum Thema  hatte ich bereits zwei Projekte genannt. Erwähnenswert ist auch das bürgerwissenschaftliche Reallabor "Moralisierung, Emotionalisierung, Polarisierung": Ein Soziologe und ein Politologe bringen "Alltagsexpert:innen" unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen zusammen, die in ihrem (beruflichen) Alltag starken Emotionen und Konfliktthemen ausgesetzt sind. Etwa mit Angehörigen des Streitkräftekommandos der Bundeswehr, lokalen Politiker:innen oder Fußballfans vom HSV. Den beiden Forschenden geht es darum, die Ursachen von gesellschaftlichem Hass freizulegen und mit ihren offenen Austauschrunden einer respektvollen, argumentativen Streitkultur den Weg zu ebnen.  Je nach Gruppe kooperieren die beiden Wissenschaftler zielgerichtet mit Partnerinstitutionen wie der Schader Stiftung, der Akademie Biggesee oder dem Hamburger Sportverein. Das Projekt hat im Übrigen bereits ein breites Medienecho gefunden.

Ist Medienecho für Sie ein Qualitätsbeweis?

Nicht unbedingt. Aber wenn ein Projekt, das Wissenschaft vermittelt, von Massenmedien aufgegriffen wird, ist das für mich ein Indiz dafür, dass das Thema offenbar für ein größeres Publikum relevant ist. Vielleicht ist aber auch der Projektansatz so originell, dass Medien darauf einsteigen. Auf jeden Fall haben die Geförderten ganz viel richtig gemacht. Und das freut uns dann auch in der Stiftung.