Zwischen Katastrophen und wilden Kreaturen
Große Herausforderungen
Krisen, Kriege, Katastrophen und Exotik – die Afrikaberichterstattung in deutschen Medien beschränkt sich häufig auf wenige, meist negativ behaftete Themen. Die Ebola-Epidemie in Westafrika oder das Boka-Haram-Massaker in Nigeria sind nur zwei aktuelle Beispiele. Für die verhältnismäßig wenigen Korrespondenten deutscher Medien auf dem zweitgrößten Kontinent der Erde heißt das, in über 54 Ländern auf einer Fläche von rund 30 Millionen Quadratkilometern den Überblick zu behalten. Die politische und kulturelle Vielfalt ist immens, die Herausforderung für Berichterstatter, die zum Teil für mehr als 30 Länder zuständig sind, entsprechend groß.
Wie gehen die Journalisten damit um? Wie sind ihre Arbeitsbedingungen? Wie sieht ihr Netzwerk aus und was heißt vor diesem Hintergrund "Augenzeugenschaft"? Um diese Fragen ging es am 14. Januar im Herrenhäuser Schloss in der letzten von drei Veranstaltungen des Herrenhäuser Forums EXTRA zum Thema Auslandsberichterstattung. Die Reihe wurde von der VolkswagenStiftung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Europäische Geschichte (IEG) Mainz organisiert. Auf den ersten beiden Veranstaltungen hatten Journalisten von ihrer Arbeit im Nahen Osten und in China berichtet.
Wenn Alleswisser berichten
"Ach, Afrika", zitierte Dr. Bernhard Gißibl in einer Einführung den Buchtitel des "Zeit"-Afrikakorrespondenten Bartholomäus Grill. Der Seufzer im Titel sei so angebracht wie bemerkenswert, sagte der Wissenschaftler, der mit einer Arbeit über Jagd und die Anfänge des Naturschutzes im kolonialen Tansania promoviert hatte. Lange seien Korrespondenten als omnipotente Interpretatoren und nicht als zurückgenommene Rechercheure für komplexe soziopolitische Vorgänge aufgetreten, so Gißibl. Grill hingegen habe Zweifel und Orientierungslosigkeit zu den Prinzipen seiner Arbeit gemacht. Trotz Einsichten: "Afrika ist in deutschen Medien und deutsche Medien sind in Afrika unterrepräsentiert", konstatierte Gißibl. Bereits der Begriff Afrika sei eine unzulässige Homogenisierung der Vielfalt und Lebenswirklichkeit von weit über einer Milliarde Menschen in über 50 Ländern.
Wie aber lässt sich diese Vielfalt im Berufsalltag eines Korrespondenten überblicken? "Das geht natürlich nicht, indem man von einem Land ins andere reist, und sagt, jetzt bin ich einmal durch", sagte Hans-Josef Dreckmann, der ein mal zu Beginn der Achtziger und ein weiteres Mal Mitte der Neunziger über jeweils mehrere Jahre als ARD-Korrespondent aus mehr als 30 schwarzafrikanischen Ländern berichtete. "Vorgegeben wird die Arbeit durch die Aktualität. Das ist einfach so." Dennoch habe er von Anfang an darauf bestanden, dass, wenn er nicht auch andere Themen machen könne, sich sein Heimatsender WDR einen anderen Korrespondenten suchen müsse, erzählte der Journalist. Mithilfe eines zweiten Teams im ARD-Büro in der kenianischen Hauptstadt Nairobi, das sich zwischenzeitlich um aktuelle Ereignisse kümmern konnte, sei dies dann auch möglich gewesen.
Der Flug geht über Lissabon
Doch nicht nur die geforderte Aktualität, sondern auch die Arbeitsbedingungen vor Ort erschwerten die Berichterstattung des Grimme-Preisträgers. Regierungsdolmetscher hätten ihn auf Reisen mitunter auf Schritt und Tritt 24 Stunden am Tag begleitet – vor allem in Äthiopien, das seinerzeit das afrikanische Stellvertreterland Moskaus war. Auch in dem von Bürgerkrieg und Massakern gebeutelten Uganda sei die Arbeit erschwert gewesen, berichtete der 76-Jährige. Dazu kamen die Reisestrapazen: Um von Nairobi nach Angola zu kommen, musste Dreckmann über Lissabon fliegen. Selbst ein Telefonat ins Nachbarland Kongo wurde über Brüssel eingefädelt. "Glücklicherweise ist mittlerweile vieles einfacher geworden", sagte der ehemalige Fernsehjournalist.
Die freie Journalistin und Buchautorin Charlotte Wiedemann, die schwerpunktmäßig für deutsche Printmedien über Afrika und den Islam berichtet, benötigt für ihre Arbeit kein Kamerateam. Entsprechend leichter und geräuschloser kann sich die 60-Jährige auf dem Kontinent bewegen. "Ich bin in der Regel alleine unterwegs und versuche dabei, möglichst unsichtbar zu sein", erzählte Wiedemann. Offiziell anmelden würde sie sich meist nur, wenn es Sicherheitsbedenken gebe. Der Vorteil: Sie kommt näher an die Menschen ran. Mit einem Filmteam ist das deutlich schwieriger. "Die Kamera verändert die Realität", bestätigte Dreckmann.
Enge im klapprigen Bus
Eindrucksvoll berichtete Wiedemann von ihren Erfahrungen, die sie auf ihren Recherchereisen sammelte – etwa aus einem klapprigen Bus auf dem Weg in das Krisengebiet in Nordmali, zusammen mit einer Frau, die einst emigrierte und nun nach acht Jahren zurück kam, um ihre Kinder wiederzusehen. Da spielte auch der Schweiß, der vom stark schwitzenden Busnachbarn immer wieder auf die Schulter der Frau tropfte, keine Rolle. "Vieles hätte ich wohl nicht begriffen, wenn ich mich nicht zumindest ein kleines bisschen den normalen Bedingungen der Menschen vor Ort ausgesetzt hätte", sagte Wiedemann.