Forschung über Wissenschaft: "Da ist noch sehr viel Potenzial!"
Die Förderinitiative "Forschung über Wissenschaft" stärkt die Interdisziplinarität und Internationalisierung im Feld – und soll auch Handlungsempfehlungen für Entscheider:innen generieren. Ein Gespräch mit der Fachreferentin Johanna Brumberg.
Die Förderinitiative "Forschung über Wissenschaft" gliedert sich in zwei Förderlinien: "Sommerschulen und Workshops" sowie "Kooperationsprojekte". Zu letzterer gab es bislang zwei Ausschreibungen: "Bewertungssysteme in der Wissenschaft" (Bewilligungen im Dezember 2023) sowie "Politische Prägungen epistemischer Praxis" (Stichtag für Anträge im Oktober 2024). Es wird also noch dauern, bis sich über Projektergebnisse berichten lässt. Aber über die Ziele und Erwartungen, die die VolkswagenStiftung mit dieser Förderinitiative verbindet, lässt sich reden – und zwar mit Dr. Johanna Brumberg, der zuständigen Referentin in der Förderabteilung.
Warum brauchen wir noch mehr "Forschung über Wissenschaft"?
Brumberg: In der Frage schwingt mit, ob wir mit dieser Förderinitiative tatsächlich noch eine Lücke füllen. Ich stimme zu, wir sind in Deutschland nicht die einzigen, die Wissenschaftsforschung fördern. Das Feld ist bereits gut aufgestellt. Trotzdem sehen wir noch Potenziale, vor allem in Kooperationsvorhaben. Also in gemeinsamen Projekten verschiedener Fachdisziplinen und in der Zusammenarbeit mit Partner:innen im Ausland.
Nach unserem Eindruck ist das Feld der Wissenschaftsforschung in Deutschland in viele Communities fragmentiert. Im Ausland dagegen scheint das Feld vernetzter zu sein. Daraus ergeben sich dort viele fruchtbare Impulse. Dieses Modell wollen wir in Deutschland stärken. Wir möchten, dass sich aus einer fragmentierten Landschaft ein gemeinsames Feld entwickelt. Deshalb ermutige ich Interessierte sehr dazu, über die bisherigen Grenzen von Disziplinen und Methoden hinaus zu denken und die Chance zu nutzen, die wir für internationale Kooperationen bieten. In der ersten Ausschreibungsrunde waren die Projekte erfolgreicher, die international stark aufgestellt sind.
Am Ende der Projekte sollen Handlungsempfehlungen stehen, die im Wissenschaftssystem und in der Politik aufgegriffen werden?
Brumberg: Wir haben nicht die Erwartung, dass sich aus jedem Projekt unmittelbar eine praktische Anwendung generieren lässt. Wir schaffen mit der Förderinitiative und mit einer Projektlaufzeit von vier Jahren den Rahmen für tiefgründige Forschung und Reflektion. Transfer und Anwendung stehen nicht im Fokus. Andererseits ist es unser Ziel, dass die durch Forschung gewonnenen Erkenntnisse ins System einfließen. Deshalb sollen sich Projektbeteiligte durchaus mit der Frage beschäftigen: Für welche Zielgruppe sind unsere Ergebnisse relevant? Wie kann das Wissen für Entscheidungsträger:innen aufbereitet werden, so dass es in künftiges Handeln einfließt? Wo brauchen wir vielleicht noch außerwissenschaftliche Akteur:innen zur Unterstützung?
Ob Forschungsergebnisse von Entscheider:innen als relevant bewertet werden, hängt entscheidend von ihrer Aktualität ab.
Brumberg: Die Aktualität geben wir in gewisser Weise vor, weil die Kooperationsvorhaben keine themenoffenen Ausschreibungen sind. Das sind themenspezifische Calls. Wir greifen Themen auf, bei denen aus unserer Sicht und aus Sicht der Expert:innen, mit denen wir im Austausch stehen, Handlungsbedarf besteht. Der erste Call hieß "Bewertungssysteme in der Wissenschaft". Dass da Handlungsbedarf besteht, ist wohl unbestritten. Überhaupt muss man die Förderinitiative "Forschung über Wissenschaft" als Teil der Stiftungsstrategie sehen, die u.a. zum Ziel hat, aus dem Förderhandeln Verbesserungen im Wissenschaftssystem anzustoßen. Auf dieses Ziel zahlt auch die große Studie "Wissenschaftskulturen in Deutschland" ein, die die VolkswagenStiftung 2023 veröffentlicht hat.
Im zweiten Call interessiert uns, welchen Einfluss politische Entscheidungen auf Forschungspraktiken haben und umgekehrt wie epistemische Prozesse politisches Handeln beeinflussen. Diese Fragestellung geht weit über die Rolle der Wissenschaft in der Politikberatung hinaus. Etwa wenn man sich vor Augen führt, dass politische Prämissen und Priorisierungen beeinflussen, welches Wissen durch Forschung entsteht und welches nicht. Das ist topaktuell. Natürlich wird auch in der Begutachtung geprüft, ob die beantragten Projekte tatsächlich auf virulente Themen einzahlen oder schon so weit erforscht sind, dass kein Mehrwert zu erwarten ist.
Welche systemrelevante Wirkung erhoffen Sie sich von der Förderinitiative "Forschung über Wissenschaft"?
Brumberg: Wir möchten, wie schon erwähnt, zu einer zusätzlichen Aktivierung des Feldes beitragen, auch außerhalb der bisherigen Kernbereiche der Wissenschaftsforschung. Wir sehen beispielsweise auch in den Politikwissenschaften, der Soziologie oder den Area Studies Forschende, die sich mit Fragen des Wissenschaftssystems beschäftigen. Hier ist Kapazitätsausbau sinnvoll. Darüber hinaus wollen wir mit Empfehlungen aus den Projekten ins Wissenschaftssystem wirken. Auf Basis der Evidenz, die die Projekte liefern, sollen sich neue Handlungsmöglichkeiten ergeben.
Welchen Beitrag wird die Stiftung selbst leisten, um die Empfehlungen aus den Projekten zu verbreiten?
Brumberg: Um diese Frage zu beantworten, müssen erstmal Projektergebnisse vorliegen. Das wird noch dauern. Die Projekte aus dem ersten Call haben gerade erst angefangen zu arbeiten. Über die Bewilligungen der zweiten Runde entscheidet das Kuratorium im Juni 2025. Was ich mir vorstellen kann: Dass die Stiftung zu einem passenden Zeitpunkt und zum Abschluss für jeden Call eine Veranstaltung mit großer Sichtbarkeit ausrichtet. Warten wir´s ab.