Mikrochips zur Entschlüsselung der Borreliose – ein "Kurswechsel"
Mit einem sogenannten Endothel-on-Chip System untersucht Prof. Dr. Iordania Constantinou von der Technischen Universität Braunschweig die Ausbreitung des Bakteriums Borrelia burgdorferi in infiziertem Gewebe. Ein Projekt an der Schnittstelle von Mikrotechnik, Biologie und Pharmazie.
Zecken sind auf dem Vormarsch – und mit ihnen die von den Parasiten übertragene Infektionskrankheit Lyme-Borreliose. Sie wird durch das Bakterium Borrelia burgdorferi ausgelöst und kann verschiedene Organe betreffen, beispielsweise die Haut, Gelenke oder auch das Nervensystem. Um die Krankheit zu verhindern und besser behandeln zu können, will Prof. Dr. Iordania Constantinou, Juniorprofessorin am Institut für Mikrotechnik und am Zentrum für Pharmaverfahrenstechnik (PVZ) der TU Braunschweig, die Mechanismen der Borreliose entschlüsseln. Ein Gespräch mit der Wissenschaftlerin über ihre Forschung und interdisziplinäres Arbeiten.
Die Borreliose ist die am weitesten verbreitete und am schnellsten wachsende durch Zecken übertragene Krankheit in Europa und den USA. In Europa gibt es jährlich mindestens 85.000 Fälle von Lyme-Borreliose, und die Häufigkeit nimmt in mehreren europäischen Ländern, darunter auch in Deutschland, zu. Die Borreliose wird durch das Bakterium Borrelia burgdorferi verursacht und durch den Biss von infizierten Zecken auf den Menschen und andere Säugetierwirte übertragen. Zecken sind kaltblütige Tiere und reagieren daher empfindlich auf Klimaänderungen. Mildere Wintertemperaturen aufgrund des Klimawandels haben es ermöglicht, die Lyme-Borreliose in höhere Breiten und Höhen auszudehnen.
In den meisten Fällen reicht eine schnelle Behandlung mit Antibiotika aus, um die Borreliose zu verhindern. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass das Bakterium Borrelia burgdorferi der traditionellen Antibiotikabehandlung widerstehen und langfristige Krankheiten verursachen kann. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass wir die Mechanismen von Krankheiten verstehen, um Borreliose ausreichend zu verhindern und zu behandeln.
Sie wollen die Krankheit in Endothel-on-Chip Systemen untersuchen. Was ist das und wie genau funktioniert das?
Das Endothel ist eine hochdynamische Zellschicht, die alle Blutgefäße und Lymphknoten im Körper auskleidet und an einer Vielzahl von physiologischen Funktionen wie Gefäßpermeabilität und Immunantwort beteiligt ist. Eine solche Endothelzellschicht kann in mit mikrotechnischen Methoden hergestellten Geräten kultiviert werden. Aufgrund der geringen Größe der Mikrochips kann die Umgebung genau kontrolliert werden und physiologische Bedingungen nachahmen. Wir können solche Chips als Ersatz für Tierversuche oder traditionelle Zellkulturen verwenden, um Infektionen und die Verbreitung von Krankheiten durch das Endothel zu untersuchen.
In dem Projekt forschen Sie an der Schnittstelle zwischen Mikrotechnik und Biomechanik. Haben Sie bereits vorher interdisziplinär gearbeitet? Worin sehen Sie die Vorteile?
In meiner gesamten wissenschaftlichen Laufbahn habe ich an interdisziplinären Projekten gearbeitet. Während meiner Promotion arbeitete ich eng mit Chemikern an der Entwicklung neuer Materialien für den Einsatz in optoelektronischen Geräten. Als Postdoc habe ich mich mit der Instrumentenentwicklung in einem Biologielabor befasst. Und an der TU Braunschweig arbeite ich an der Schnittstelle von Mikrotechnik, Biologie und Pharmazie. Ich glaube, dass die interessantesten Probleme, die heute gelöst werden müssen, so komplex sind, dass eine Lösung Fachwissen aus vielen Disziplinen erfordert.
Welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich durch das Projekt?
Auf Projektebene werden die Forschungsarbeiten Aufschluss darüber geben, wie Borrelia burgdorferi mit dem Endothel interagiert, um seine Verbreitung in Geweben zu erreichen. Dies wird es uns ermöglichen, die biomechanischen Veränderungen, die während der Infektion auftreten, besser zu verstehen und zu analysieren, wie diese mit molekularen Ereignissen verbunden sind. Neben dem Beitrag zur Grundlagenforschung in der Zellbiologie und Mechanobiologie glaube ich, dass wir durch diese Untersuchungen vielversprechende Medikamente identifizieren können, die als therapeutische Interventionen eingesetzt werden können. Schließlich werden neuartige Plattformen und Zell- bzw. Gewebscharakterisierungstechniken entwickelt, die uns Zugang zu bisher unerreichbarem Wissen ermöglichen sollen.
Auf persönlicher Ebene werde ich am Ende dieses Projekts wertvolle praktische Kenntnisse in Zell- und Gewebekulturen und die Methoden zum Studium der Zellbiomechanik erworben haben. Dies wird ein völlig neues Toolkit für mich sein, das mir helfen wird, meinen Forschungshorizont zu erweitern.
Der Beitrag stammt aus dem Magazin der TU Braunschweig, das Interview führte Bianca Loschinsky.
Hintergrund
Die VolkswagenStiftung fördert das interdisziplinäre Projekt an der Schnittstelle zwischen Mikrotechnik und Biomechanik im Rahmen der Förderinitiative "Kurswechsel – Forschungsneuland zwischen den Lebenswissenschaften und Natur- oder Technikwissenschaften".