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Auswirkungen von Reichtum auf die Gesellschaft: 9,4 Mio. Euro für Forschungsprojekte

Tina Walsweer

Mann und Frau herzen Mädchen, das einen Geldschein in der Hand hält, im Hintergrund fliegende Geldbündel

Forschende in sieben internationalen Kooperationsprojekten, für die die Stiftung jetzt rund 9,4 Mio. Euro bewilligt hat, nehmen jetzt den Einfluss der Vermögenselite auf Startup-Ökosysteme, das Auseinanderdriften von Eliten und der Allgemeinbevölkerung oder auch die Interaktion finanziell unterschiedlich gestellter Haushalte mit dem Finanzsystem in den Fokus.

Bestehen extrem ungleiche Vermögens- und Einkommensverhältnisse in einer Gesellschaft nebeneinander, kann dies immer wieder zu Konflikten führen und dazu beitragen, dass die Gesellschaft sich entweder gar nicht oder zumindest in eine negative Richtung entwickelt. Will man diese Entwicklungen verstehen, so muss man zunächst das Phänomen "Reichtum" verstehen. Die Ausschreibung "(Aus-)Wirkungen von Reichtum" widmet sich ebendiesem Themenkomplex in einer globalen Perspektive und auf unterschiedlichen Ebenen. Geistes-, Kultur-, Sozial- oder Wirtschaftswissenschaftler:innen wurden darin aufgefordert, in interdisziplinären und internationalen Teams – bestenfalls mit Partner:innen aus dem Globalen Süden – mit ihren Projekten neue Erkenntnisse zum tieferen Verständnis von Reichtum zu generieren und konkrete Handlungsoptionen zu entwerfen. Das Kuratorium der Stiftung hat jetzt für sieben vielversprechende Projekte insgesamt rund 9,4 Mio. Euro bewilligt. Vier davon stellen wir im Folgenden kurz vor:

The Capital's Shadow: Wealth Concentration in Startup Ecosystems (Dr. Isabell Stamm, Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln; Dr. Julia de Groote, WHU – Otto Beisheim School of Management, Vallendar; rd. 940.000 Euro)

Auf Startups liegt vonseiten der Politik oftmals die Hoffnung, dass sie zukünftig den wirtschaftlichen Wohlstand sichern und gleichzeitig wichtige Innovationen zur Lösung globaler Probleme hervorbringen. Auch wenn europäische Startup-Ökosysteme als egalitär gelten, so scheinen sie doch besonders für die Vermögenselite interessant zu sein. Die Forschenden wollen nun ergründen, wie wohlhabende Eliten Einfluss auf Startup-Ökosysteme in Paris und Berlin nehme. Es untersucht, wie diese Eliten Chancen für sich sichern und wie das Innovation, soziale Aufstiegsmöglichkeiten und Wohlstand beeinflusst. Ihre Erkenntnisse u. a. über die Auswirkungen von Vermögen in Startup-Ökosystemen sollen bspw. in Policy Briefs und Diskussionsrunden mit politischen Entscheidungsträger:innen fließen.

Fördermöglichkeiten

Extrem ungleiche Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind eine wiederkehrende Ursache für Konflikte und ein anhaltendes Hindernis für menschliche Entwicklung. Die wissenschaftliche Erforschung des Phänomens Reichtum ist daher ein zentrales Element zum Verständnis gesellschaftlicher Transformationsprozesse. Mit der Förderinitiative "Perspektiven auf Reichtum" möchte die VolkswagenStiftung einen Perspektivwechsel initiieren von der Armutsforschung auf Facetten des Phänomens Reichtum. 

Zur Ausschreibung

Nature's Wealth or Nature for the Wealthy? Philanthropism and Ecotourism in the Global South (Prof. Dr. Silke Jansen, Priv.-Doz. Dr. Andrés Gerique Zipfel, Universität Erlangen-Nürnberg; Prof. Dr. Hugo Romero, Universidad Autónoma de Chile, Temuco, Chile; Prof. Dr. Andrea Munoz Barriga, Charles Darwin Foundation; Puerto Ayora, Ecuador; Prof. Dr. Emmanuel Munishi, College of Business Education, Dar es Salaam, Tansania; rd. 1,5 Mio. Euro)

Seit Jahren ist zu beobachten, dass reiche Eliten aus Nordamerika und Europa im Globalen Süden große Landflächen kaufen, um dort Naturschutzgebiete zu schaffen oder luxuriöse, naturnahe Tourismuszentren zu bauen. Das Projekt untersucht, wie sie durch Luxus-Ökotourismus und Naturschutz-Spenden die Entscheidungen in Naturschutzgebieten sowie das Leben und die Entwicklung vor Ort verändern. Außerdem analysieren die Projektbeteiligten – Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen aus Deutschland, Ecuador, Chile und Tansania –, wie Naturschutz und Themen wie Biodiversität oder indigene Kultur weltweit wahrgenommen und dargestellt werden. Sie sammeln neue Daten durch Umfragen, Interviews und Feldforschung und untersuchen globale Kampagnen wie "Protecting our Planet". Das Projekt plant neben wissenschaftlichen Arbeiten auch Austauschformate mit der lokalen Bevölkerung, wie Diskussionsforen und Science Cafés.

Wealth and Social Cohesion from a Relational Perspective (Prof. Dr. Fabian Pfeffer, Universität München; Prof. Manuel Schechtl, Ph.D., The University of North Carolina at Chapel Hill, USA, Dr. Rafael Carranza, Pontificia Universidad Catolica de Chile; Dr. Nhat An Trinh, University of Oxford, Großbritannien; rd. 1,6 Mio. Euro)

Das Auseinanderdriften der Lebensstile, Netzwerke, Chancen und Weltanschauungen der reichen Eliten von denen der anderen gesellschaftlichen Gruppen führt dazu, dass letztere ihren Glauben an Chancengleichheit, ihr Vertrauen in den Staat oder ihr zivilgesellschaftliches Engagement hinterfragen. Untergräbt diese Kluft zwischen Vermögenden und der Allgemeinbevölkerung damit den sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft? Die Forschenden wollen in ihrem Projekt neue statistische Maße für relatives Vermögen entwickeln, die die Distanz erfassen, mit der sich die Vermögenden von der restlichen Gesellschaft entfernt haben. Mithilfe eines breit gefächerten Forschungsansatzes wollen sie die wichtigsten Faktoren, die den Zusammenhang zwischen Vermögen und sozialem Zusammenhalt beeinflussen, sowohl auf großer Ebene in verschiedenen Ländern als auch auf kleineren Ebenen innerhalb der Fokusländer eruieren.

Wealth Inequality: Attitudes, Opportunities, and Behavior (Prof. Dr. Moritz Kuhn, Universität Mannheim; Dr. Mark Wright, Washington University in St. Louis, USA; rd. 610.000 Euro)

Welche Auswirkungen haben Vermögensungleichheit auf die Einstellungen, die finanziellen Möglichkeiten und das Verhalten von Haushalten? Dieser Frage widmen sich die Forschenden auf drei Themengebieten: der Wahrnehmung der Fairness des Finanzsystems, der Nachfrage nach finanzieller Sicherheit am Beispiel von Versicherungen sowie dem Zugang zu Finanzmärkten und Finanzinnovationen. Sie analysieren dazu Daten von vier Jahrzehnten der neuen amerikanischen Finanzgeschichte und wollen mit ihren Erkenntnissen zu einem tieferen Verständnis der Auswirkungen von Vermögensungleichheit als einer zentralen sozialen Frage des 21. Jahrhunderts beitragen.

Ebenfalls gefördert werden:

INFILTRATES: Influence of Financial Elites: Trajectories, Socialization, Values and the Repercussions of Wealth in Germany, France and the UK (Prof. Dr. Jay Rowell, Centre Marc Bloch e. V.; Dr. Christian Schneickert, Universität Magdeburg; Prof. Dr. Marlène Benquet, Prof. Dr. Sébastien Michon, CNRS - Centre National de la Recherche Scientifique URM SAGE, Strasburg, Frankreich; Dr. Louise Ashley, D. Phil Queen Mary University of London School of Management, Großbritannien)

Medium-Scale Farmers in Rural Africa (Priv.-Doz. Dr. Clemens Greiner, Universität zu Köln; Prof. Dr. Kojo Amanor, University of Ghana, Accra, Ghana; Prof. Dr. Emmanuel Sulle, Aga Khan University, Arusha, Tansania; Prof. Dr. Ruth Hall, University of the Western Cape, Bellville, Südafrika)

Powering Wealth. How Rich Families Shape the Energy Transition in Germany and Mexico. c. 1870-2024 (Dr. Andrea Binder, Freie Universität Berlin; Dr. Alice Krozer, El Colegio de México, Ciudad de Mexico, Mexiko; Thorsten Benner, Global Public Policy Institute, Berlin)

Profilbereich Gesellschaftliche Transformationen

In diesem Profilbereich fördert die Stiftung Forschung, die mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung Wissensbestände zu Transformationsprozessen erweitert und kritisch reflektiert. Wir wollen besser verstehen lernen, wie Transformationsprozesse ablaufen und welche Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten die Wissenschaft dabei hat. Wir ermutigen die Forschenden, Akteure außerhalb der Wissenschaft an ihren Projekten zu beteiligen, etwa durch partizipative Forschung oder gemeinsame Wissenschaftskommunikation. Im Ergebnis trägt der Profilbereich dazu bei, wichtige Zukunftsfragen durch faktenbasierte wissenschaftliche Erkenntnis zu antizipieren und gleichzeitig Optionen für gesellschaftliches Handeln zu entwickeln.

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