Sechs Museen erhalten Fördergelder zur Erforschung ihrer Sammlungen
In der Förderinitiative "Forschung in Museen" hat das Kuratorium der VolkswagenStiftung sechs kooperative Forschungsvorhaben von Museen und Hochschulen bewilligt, Gesamtfördersumme: rund 2,5 Mio. Euro.
- Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim, Ludwig-Maximilians-Universität München (rd. 380.000 Euro): Weltentstehung und Theologie von Hermopolis Magna
- Braunschweigisches Landesmuseum, Universität Göttingen (rd. 350.000 Euro): Vernetzte Lebenswelten. Untersuchungen zur Bevölkerungszusammensetzung an bronzezeitlichen Herrschaftssitzen
- Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (rd. 420.000 Euro): Development of Marine Mammal Health and Ecology in Different Climate Conditions
- Universität Bayreuth (Iwalewahaus), Museum der Weltkulturen Frankfurt am Main (rd. 500.000 Euro): African Art History and the Formation of a Modern Aesthetic African Modernism in institutional art collections related to German collecting activities
- Historisches Museum Frankfurt am Main, Universität Paderborn (rd. 390.000 Euro): Eine objektbasierte Untersuchung von Kleidung zur textilen Rekonstruktion von Bewegung
- Stadtmuseum Penzberg, Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Bayerische Staatsgemäldesammlungen (rd. 490.000 Euro): Hinterglasmalerei als Technik der Klassischen Moderne 1905-1955
Mit ihrer Förderinitiative "Forschung in Museen" will die Stiftung insbesondere kleinen und mittleren Museen ermöglichen, langfristig wissenschaftlich fundierte Ausstellungen zu konzipieren, damit diese ihrem wissenschaftlichen Vermittlungsauftrag gerecht werden können. Von zentraler Bedeutung ist dabei die intensive Zusammenarbeit mit führenden Forschungseinrichtungen, nicht zuletzt aus Universitäten. Die nun vom Kuratorium der Stiftung bewilligten sechs Vorhaben werden im Folgenden kurz vorgestellt:
Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim, Ludwig-Maximilians-Universität München: Weltentstehung und Theologie von Hermopolis Magna. Tuna el-Gebel als Teil einer Kultlandschaft in Mittelägypten von der Spät- bis in die Römerzeit (ca. 600 v. Chr. - 400 n. Chr.)
Die Projektpartner widmen sich der Aufarbeitung bislang unveröffentlichter Objekte aus Hermopolis Magna, der Hauptstadt eines Verwaltungsbezirks im alten Ägypten, sowie Funden aus dem zugehörigen Menschen- und Tierfriedhof. Im Zentrum steht die Frage, wie sich die altägyptische Lehre von der Entstehung der Welt sowie die Theologie des Kultzentrums der Gottheit Thot mithilfe der archäologischen Fundstücke beschreiben lassen. Erforscht werden sollen die genaue Funktion der Objekte und die damit verbundenen Rituale. Darüber hinaus erhoffen sich die Forscher ein besseres Verständnis des altägyptischen Tierkults. Die Projektergebnisse sollen in einer Ausstellung in Hildesheim und Ägypten münden, die unter anderem eine 3-D-Rekonstruktion einiger unterirdischer Kapellen für Ritualtiere zeigen wird.
Braunschweigisches Landesmuseum, Universität Göttingen: Vernetzte Lebenswelten. Untersuchungen zur Bevölkerungszusammensetzung an bronzezeitlichen Herrschaftssitzen
Befestigte Herrschaftssitze spielten bereits in der Bronzezeit eine wichtige Rolle als Kommunikationsknotenpunkte. Um diese europaweit vernetzten Lebenswelten zu analysieren und bronzezeitliche Siedlungen zu rekonstruieren, wollen die Projektpartner Keramik, menschliche Skelette und Pferdezähne aus einer Fundstätte im Kreis Helmstedt archäologisch und naturwissenschaftlich analysieren. Sie erwarten sich davon Aufschluss über die Zusammensetzung der Bevölkerung, über den Verlauf von Kommunikationstrassen und die Formen regionaler und überregionaler Vernetzung. Auf der Basis ihrer Erkenntnisse erhoffen sich die Wissenschaftler, Rückschlüsse über den Umgang bronzezeitlicher Gesellschaften mit Fremden und Fremdem ziehen zu können.
Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover: Development of Marine Mammal Health and Ecology in Different Climate Conditions
Schweinswale, Seehunde und Kegelrobben sind zunehmend gefährdet, z. B. durch Schadstoffe, Fischerei und globale Erwärmung. In dem Forschungsprojekt sollen Parameter erstellt werden, die es erlauben, den Gesundheitszustand mariner Säugetiere über lange Zeit beschreiben zu können. Anhand der Sammlungsbestände der Projektgruppe (deutsche Museen und Universitäten sowie kooperierende Museen in Dänemark und Schweden) wollen die Wissenschaftler Unterschiede im Gesundheitsstatus, in der Nahrungszusammensetzung und Schadstoffbelastung zwischen den Spezies in Nord- und Ostsee herausarbeiten. Die Ergebnisse sollen u. a. in einer Wanderausstellung in den verschiedenen beteiligten Museen präsentiert werden.
Universität Bayreuth (Iwalewahaus), Museum der Weltkulturen Frankfurt am Main: African Art History and the Formation of a Modern Aesthetic African Modernism in institutional art collections related to German collecting activities
Das Projekt basiert auf Sammlungen der afrikanischen Moderne, bestehend aus Gemälden, Skulpturen und Grafiken aus den frühen 1940er Jahren bis in die späten 1980er Jahre (schwerpunktmäßig aus Nigeria und Uganda). Die Forscher wollen der These nachgehen, dass verschiedene Narrationen der afrikanischen Kunstgeschichte in den Sammlungen eingebettet sind, nämlich einerseits die der Künstler(innen) und andererseits die der Sammler(innen). Die Analyse der einzelnen Kunstwerke, der Zusammensetzung der Sammlungen sowie des Verhältnisses der Sammler(innen) zur lokalen Kunstszene und den Künstler(inne)n soll Aufschluss über die Rezeption afrikanischer Kunstgeschichte in Deutschland geben.
Historisches Museum Frankfurt am Main, Universität Paderborn: Kleidung in Bewegung versetzen. Eine objektbasierte Untersuchung von Kleidung zur textilen Rekonstruktion von Bewegung
Kernthema des Projekts ist die interpretierende Kleidungsforschung: Schnittformen, Nahtverläufe und Stoffe der Kleidung aus der Sammlung des Historischen Museums Frankfurt aus den Jahren 1850 bis 1930 sollen Aufschluss über die Bewegung, Geschwindigkeit und Mobilität des menschlichen Körpers in dieser Epoche geben. Zum Beispiel reduzierten sich in den 1920er Jahren die Kleiderschichten der weiblichen Kleidung und der Körper – und die Beine wurden sichtbar. Anhand der Kleidung lassen sich also Rückschlüsse über Bewegungsspielräume und Bewegungsformen ziehen. Zudem bildet das Projekt eine Grundlage für neue Präsentationsformen von Textilien in Museen.
Stadtmuseum Penzberg, Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Bayerische Staatsgemäldesammlungen: Hinterglasmalerei als Technik der Klassischen Moderne 1905-1955
Die Technik der Hinterglasmalerei, also das rückwärtige Bemalen von Glas mit einem seitenverkehrt angelegten Bild, ist vor allem aus der Volkskunst bekannt. Über lange Zeit sind Forscher der Technik mit Unkenntnis, Missverständnis und teilweise Geringschätzung begegnet, dabei war sie keineswegs nur ein Randphänomen. Die Künstler des "Blauen Reiters" haben sie Anfang des 20. Jahrhunderts aufgegriffen, danach verbreitete sie sich weiter. Diese Malerei hat in der Klassischen Moderne einen grundsätzlich experimentellen Charakter und schuf ein Feld für künstlerische Entwicklungen. In dem Projekt werden Hinterglasbilder, die zwischen 1905 und 1955 entstanden sind, interdisziplinär von Kunsthistorikern, Restauratoren und Naturwissenschaftlern aus kunstwissenschaftlicher, kunsttechnologischer und materialanalytischer Perspektive untersucht.
Link zu weiteren Informationen zu der Förderinitiative "Forschung in Museen".