Story

Professur? Muss ja nicht sein ... 

Mareike Knoke

Illustration von einer Welt zwischen Uni und Wirtschaft

Ines Drefs ist leidenschaftlich gerne Forscherin – und sie brennt für das Thema Medienentwicklungsarbeit: Ein Job an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis kam da gerade recht.
 

Menschen, die im Sternzeichen Zwillinge geboren wurden, so sagt man, verfügen über einen wachen Geist, sind neugiergetrieben und können sich innerhalb kürzester Zeit viele Informationen aneignen. Sie sind sehr kontaktfreudig und haben auch in beruflichen Zusammenhängen ein Händchen für Kommunikation und Networking. Folgt man den astrologischen Zuschreibungen einschlägiger Lifestyle-Magazine, dann sind "Zwillinge" prädestiniert für die Arbeit in der Medienbranche. Auch wechseln sie häufiger mal den Job, um Neues auszuprobieren.

Wenn man Ines Drefs, geboren 1984 unter ebendiesem Sternzeichen, im Gespräch erlebt, denkt man sofort: Passt! Die promovierte Kommunikationswissenschaftlerin findet das lustig: "Ich glaube zwar nicht an Astrologie, habe aber auch immer gedacht, dass das, was ich so im Zusammenhang mit meinem Sternzeichen gelesen habe, ganz gut zutrifft." Drefs spricht gerne über ihre Arbeit als Forscherin und speziell über ihr Schwerpunktthema, die Medienentwicklungsarbeit in den Ländern Afrikas und Asiens. Ihr Lebenslauf hat aber auch Stationen jenseits einer klassischen akademischen Karriere zu bieten.

Was ist die Hauptsache?

Als Krönung einer solchen Laufbahn gilt nach wie vor die Professur, und wer etwas werden will in der deutschen Wissenschaftscommunity, kommt nicht umhin, darauf hinzuarbeiten. Drefs, die im niedersächsischen Fachwerkstädtchen Hann. Münden aufwuchs, sieht das etwas anders: "Ich bin leidenschaftlich gerne Forscherin. Ich habe promoviert, aber eine Professur war eigentlich nie mein vorrangiges Ziel. Es gibt auch andere spannende Berufsfelder, in denen man wissenschaftlich arbeiten kann." Vielleicht spielt eine Rolle, dass sie selbst in einem Nicht-Akademikerhaushalt groß wurde. "Meine Eltern legten Wert darauf, dass wir Kinder selbst entscheiden, was zu uns passt", sagt sie. Hauptsache zufrieden, sei der Gedanke dahinter gewesen. Und nicht: Hauptsache Karriere.

Sie ist selbst der beste Beweis dafür, dass man auch außerhalb des Hochschulbetriebs seiner wissenschaftlichen Neugier nachgehen kann: Seit Oktober 2022 ist sie Projektmanagerin im Bereich "Research and Evaluation" an der "Deutsche Welle Akademie" in Berlin. Wie können Medien weltweit dabei unterstützt werden, gezielte Desinformation zu bekämpfen und Demokratisierungsprozesse zu fördern? Welche Dialogformate eignen sich, um die Bevölkerung auch in ländlichen Gebieten zu erreichen? Solche Fragen und die Wirksamkeit der entwickelten Maßnahmen – wie etwa Community Radiosender – stehen im Mittelpunkt ihrer Arbeit an der Akademie, die sich in vielen Ländern der Welt für Meinungsvielfalt und -freiheit engagiert.

Spaß am Austausch

"Meine Kolleginnen und Kollegen und ich entwickeln, planen und werten projektbegleitende Studien aus", erläutert sie. Drefs, beispielsweise, ist derzeit für die Entwicklung und Evaluation partnerschaftlicher Programme von Radioprojekten im westafrikanischen Niger zuständig. Hierfür stimmt sie sich eng mit den Partnerteams und Ortskräften ab. Es ist dieser Austausch, der ihr besonders Spaß macht. Dabei bedauert sie, dass es bislang nicht zu persönlichen Begegnungen mit den Macher:innen der Lokalsender gekommen ist: "Das wäre natürlich wichtig, um sich vor Ort anzuschauen, wie Medienvertreterinnen und -vertreter in Niger arbeiten. Es ist aber recht gefährlich, außerhalb der Hauptstadt unterwegs zu sein, um zu den Projekten zu gelangen. Deshalb beschränkt sich der Kontakt bislang auf Video-Meetings.

Was sie an ihrer praxisbezogenen Arbeit für die DW Akademie besonders schätzt: "Ich kann durch meine Forschung gemeinsam mit den Akteurinnen und Akteuren vor Ort dazu beitragen, dass Mediensysteme sich verbessern. Dafür habe ich ein festes Budget – das zum Beispiel auch die Zusammenarbeit mit externen Meinungsforschungsinstituten abdeckt. Ich brauche dafür keine weiteren Drittmittel einzuwerben – was ich als Hochschulforscherin natürlich müsste. Und das oft langwierige Prozedere für solche Anträge würde mich dann unter Umständen wertvolle Forschungszeit kosten."

Sie selbst war nur kurz als Journalistin unterwegs, als freie Mitarbeiterin für eine Zeitung in ihrer norddeutschen Heimat. Und eine ihrer akademischen Ausbildungsetappen führte sie nach dem Bachelorabschluss an der Universität Erfurt an die dänische Journalistenhochschule nach Århus. Sie studierte in dem internationalen Master-Programm "Journalism and Media within Globalisation: The European Perspective". Aber: "Sehr bald habe ich dort für mich festgestellt, dass ich es viel spannender finde, über Journalismus zu forschen und herauszufinden, unter welchen Bedingungen Journalistinnen und Journalisten weltweit arbeiten." Ihre Kommiliton:innen in Århus kamen aus Ländern wie El Salvador und Kenia, andere aus Neuseeland und Kanada. Sie berichteten von der Situation der Medien in ihren Heimatländern: über große Medienvielfalt, aber auch Zensur und die Bedrohung von Pressefreiheit und demokratischen Strukturen

Foto von Ines Drefs

Drefs studierte unter anderem in Erfurt und Århus.

Auf Umwegen zum Ziel

Manch andere hätte sich direkt nach der Masterarbeit auf eine Karriere in der Wissenschaft fokussiert. Drefs dagegen nahm noch ein, zwei Umwege, bevor sie sich entschloss zu promovieren: Sie absolvierte ein Volontariat im Team Wissenschaftskommunikation an der damaligen Jacobs University, und danach arbeitete sie in der Social-Media-Redaktion eines Hamburger Drogeriemarktbetreibers. Aus Interesse und Neugier.

Doch sie merkte schnell, dass Community Management auf Social-Media-Plattformen nichts war, was sie langfristig machen wollte. Also kehrte Ines Drefs zurück in die Wissenschaft und zu ihrem Herzensthema Medien und Demokratisierungsprozesse: in ihrer Doktorarbeit an der Uni Hamburg ebenso wie in einem EU-Projekt an der Ruhr Universität Bochum und später als Postdoc am Erich-Brost-Institut für Internationalen Journalismus an der Technischen Universität Dortmund. Dort bewarb sie sich als Koordinatorin des Graduiertenkollegs "MEDAS 21" (Global Media Assistance: Applied Research, Improved Practice in the 21 Century) und war für Betreuung und Mentoring der Fellows, die Organisation und Moderation von Kolleg-Veranstaltungen sowie für Kooperationsprojekte mit internationalen (Praxis-)Partnerteams zuständig.

MEDAS 21

Das Graduiertenkolleg MEDAS 21 wurde als gemeinsames Projekt der drei mit Journalismus, Medien und Kommunikation befassten Institute der Universitätsallianz Ruhr (IfJ Dortmund, IfM Bochum, IfK Duisburg-Essen) aufgesetzt. Die sieben teilnehmenden Promovierenden waren gefordert, bei ihren Forschungsprojekten zur Medienentwicklungsarbeit den Fokus auf die Erarbeitung von praxisrelevanten Lösungsansätzen zu richten.

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Als eines der von der VolkswagenStiftung geförderten Promotionskollegs in der Ausschreibung "Wissenschaft und berufliche Praxis in der Graduiertenausbildung" zielte "MEDAS 21" auf den Punkt ab, der auch Ines Drefs so wichtig ist: Jungen Wissenschaftler:innen frühzeitig alternative, praxisbezogene Tätigkeitsfelder jenseits der Hochschule aufzuzeigen. "Für die Doktorandinnen und Doktoranden gab ich mit meinem Lebenslauf ein gutes Beispiel dafür ab, dass es wichtig ist, auch Fähigkeiten zu erwerben, die vielleicht nicht so viel zählen, wenn man eine Professur anstrebt, die einem aber viele Möglichkeiten eröffnen."

Die geeigneten Prioritäten leben

Bei einigen Freundinnen und Freunden aus der Studienzeit erlebe sie, was es bedeutet, sehr stringent auf das eine Ziel, die Professur, hinzuarbeiten. "Das kann sehr erfüllend sein, hat aber eben auch Nachteile. Dazu gehört ein Leben als wissenschaftliche Mitarbeiterin von einem befristeten Postdoc-Arbeitsvertrag zum nächsten, verbunden mit häufigen Umzügen und Pendeln, wenn der Partner oder die Partnerin woanders wohnt." Am Ende gelinge es nur wenigen, die Wunsch-Professur zu ergattern. Ines Drefs bereut nicht, dass sie ihre Prioritäten anders gesetzt hat. Mit ihrem Mann lebt sie seit einiger Zeit südlich von Hamburg im Grünen und genießt das sehr, auch den Wechsel zwischen Homeoffice und Präsenzphasen in Berlin. Ihr aktueller Arbeitsvertrag ist zwar ebenfalls befristet – aber als optimistischer und kommunikationsstarker Zwilling ist sie überzeugt: "Es werden sich an der DW Akademie weitere spannende Aufgaben für mich finden."

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Impulse Ausgabe 2023: "Wissenschaft leben"

Diesen Beitrag finden Sie auch in der aktuellen Ausgabe unseres Stiftungsmagazins "Impulse". Was die Menschen in diesem Heft verbindet: Die Leidenschaft für ihren Beruf und ihre Themen!

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