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Scicomm-Support: "Das Gefühl, nicht allein zu sein"

#Wissenschaftskommunikation

Dr. Ulrike Schneeweiß

Seit Juli 2023 ist der Scicomm-Support aktiv: eine Hotline für Personen, die im Rahmen der Wissenschaftskommunikation mit Anfeindungen konfrontiert sind oder in Konflikte geraten. Die angebotene Unterstützung und Beratung auf kommunikativer, rechtlicher und psychologischer Ebene wird sehr gut angenommen.   

"Wir haben eine Fehlstelle im System identifiziert", sagt Julia Wandt, die als damalige Vorsitzende des Bundesverbandes Hochschulkommunikation den Scicomm-Support mit konzipiert hat. "Es gab schlicht keine zentrale Anlaufstelle für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftskommunikator:innen, die im Rahmen der Kommunikation in Konflikte geraten oder Angriffen ausgesetzt sind." 
 

Entscheidend ist im ersten Schritt oft, den Betroffenen das Gefühl zu vermitteln, dass sie nicht allein sind.

Julia Wandt

Solche Angriffe finden nicht nur online statt. Forschende erhalten beleidigende Anrufe, Briefe oder Mails. Auch persönliche Drohungen, etwa auf Veranstaltungen, bis hin zu körperlichen Angriffen kommen vor. Oft, aber nicht immer, richten sich die Attacken gegen Forschende in Bereichen mit konkreten gesellschaftlichen Implikationen wie beispielsweise Impfstoff-, Gender- und Diversityforschung oder Klimaforschung. "Diese Themen haben ein besonderes Potenzial, unterschiedliche Einzel- und Gruppeninteressen zu triggern", meint Wandt, die heute neben Kristin Küter und Matthias Fejes eine von drei Koordinator:innen des Scicomm-Supportes und dort selbst als Beraterin aktiv ist.

Bei der Hotline, die sehr gut angenommen wird, meldeten sich bisher allerdings Forschende aus allen Disziplinen, vom Physiker bis zur Philosophin. Auch zwischen Forschenden verschiedener Geschlechter oder Karrierestufen zeigten sich bisher keine deutlich messbaren Unterschiede. Die Motivation aber, Unterstützung zu suchen, könne sich unterscheiden: Frauen sähen sich beispielsweise öfter mit sexualisierten Angriffen konfrontiert als Männer; Forschende niedrigerer Karrierestufen seien mehr um ihre berufliche Laufbahn besorgt, als solche in sicherer Position. 

Screenshot Scicomm-support.de

Die Telefonberatung von scicomm-support.de ist an 365 Tagen im Jahr von 7 Uhr bis 22 Uhr erreichbar.

"Die einzelne Person steht dabei oft gar nicht so sehr im Fokus, sie wird eher zur Projektionsfläche für ein Thema", beschreibt Wandt die Logik vieler Angriffe. Manchmal stammten sie von Einzelpersonen, die die Tragweite ihres Handelns nicht richtig einzuschätzen wüssten; häufiger von Personen, die ganz gezielt Personen und deren Forschungsfeld angreifen möchten. "Aber natürlich gibt es auch Probleme mit publizistischen Organen", ergänzt sie, deren Erscheinungsbild, Reichweite und Einfluss sich im digitalen Zeitalter stark gewandelt hätten. "Dazu gehören bestimmte Blogs und Videoportale, die nicht den Qualitätsmedien zuzurechnen sind."

Die Expert:innen des Scicomm-Supportes beraten die Hilfesuchenden auf kommunikativer wie auf rechtlicher Ebene. Zudem ist eine psychologische Unterstützung als Verweisberatung möglich - der Scicomm-Support arbeitet dafür mit den Beratungsstellen der Hochschulen zusammen.

"Die kommunikative und die rechtliche Ebene hängen sehr eng miteinander zusammen", erklärt Wandt. Im Fall von Verfremdungen von Aussagen prüfen Jurist:innen etwa, ob die Verletzung des Rechts am eigenen Wort zivilrechtlich zu verfolgen ist. "Die Entscheidung darüber hat einen Einfluss darauf, ob und wie die betroffene Person oder deren Institution auf Anfeindungen reagieren sollte."

Bücherstapel, neben dem "Leitfaden" steht

Auf der Webseite des Supports finden sich neben einem Leitfaden auch Angebote zu Trainings und Workshops zum Umgang mit digitaler Gewalt, Hassrede und gezielten Angriffen gegen Wissenschaftler:innen und Wissen­schafts­kommu­ni­ka­tor:in­nen.

Die Beratenden geben konkrete Hinweise zum Umgang mit Vorfällen, von der rechtssicheren Dokumentation der betreffenden Mails und Anrufe über Unterstützung bei der Sperrung der Melderegisterauskunft bis hin zu intensiver Kommunikationsberatung und konkreten Formulierungsvorschlägen. Entscheidend sei im ersten Schritt aber oft, "den Betroffenen das Gefühl zu vermitteln, dass sie nicht allein sind."

Neben der Einzelberatung und einem Leitfaden für Betroffene bietet der Scicomm-Support Schulungen für Forschende, Wissenschaftskommunikator:innen und ihre Institutionen zum Umgang mit Hass und Gewalt. "Dabei geht es auch darum", sagt Wandt, "wie Kommunikation die unterschiedlichen Wahrnehmungskontexte der Rezipierenden berücksichtigen kann, um feindlichen Reaktionen vorzubeugen."

Bunte Sprechblasen mit kleinen Icons.

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